Wien FPÖ will Siegeszug in Wien fortsetzen

Wien · Die rechte Partei hofft bei der morgigen Landtagswahl auf eine Revolution. Die Asyldebatte treibt ihr die Wähler in Scharen zu.

Schon lange vor Wahlkampfbeginn hatte sich das Duell zwischen dem sozialdemokratischen Wiener Bürgermeister Michael Häupl und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache abgezeichnet. Häupls SPÖ werden in der österreichischen Hauptstadt nach letzten Umfragen nur noch 36 Prozent der Stimmen zugetraut (2010: 44), die Rechtspartei ist ihr mit 35 Prozent hart auf den Pelz gerückt (bisher 26). 1,2 Millionen Wiener sind morgen aufgerufen, eine neue Rathausmehrheit zu wählen.

Wien wird seit Ende der Monarchie 1918 - mit Ausnahme der zwölf Jahre Austrofaschismus und "Anschluss" an Hitler-Deutschland - von den Sozialdemokraten regiert. 2010 verlor die SPÖ erstmals die absolute Mehrheit, weshalb seither eine rot-grüne Koalition an der Macht ist. Ob die stolze rote Ära morgen wirklich zu Ende geht, hängt dem Politologen Peter Filzmaier zufolge auch davon ab, wie stark die SPÖ das große Reservoir der Nichtwähler mobilisieren kann: Rund 35 Prozent der Wähler haben 2010 auf ihr Stimmrecht verzichtet. Diesmal könnten auch noch mehr zur FPÖ überlaufen als bisher schon. Die ganze Hoffnung der SPÖ beruht auf Häupls Popularität.

Der Eroberungsfeldzug der FPÖ - in der hiesigen Farbenlehre "die Blauen" - gründet überwiegend auf der Flüchtlingswelle, für die Rechtspopulisten im Superwahljahr 2015 ein Himmelsgeschenk. Strache ist für Grenzschließung, ehe "Wien zur Asyl-Drehscheibe" werde, er lobt den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán für dessen Politik des wiedererstandenen "Eisernen Vorhangs" und will am liebsten auch um Österreich einen "Strachedrahtzaun" ziehen, wie seine Gegner spotten. Obwohl von den 200.000 Flüchtlingen, die Österreich seit Jahresbeginn durchquert haben, bloß fünf Prozent im Land blieben, dröhnt die FPÖ-Propaganda von Massenzuwanderung und schürt so gezielt die Angst der Österreicher vor Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt und sozialem Abstieg. Straches ausländerfeindlichem Wahlkampf setzt Bürgermeister Häupl eine menschliche Asylpolitik entgegen, womit er kein hohes Risiko eingeht, solange 95 Prozent der Flüchtlinge nach Deutschland weitergereicht werden können.

Doch es ist nicht allein die Flüchtlingswelle, die der FPÖ die Wähler in die Arme treibt. Straches Partei profitiert auch von der faktischen Abwesenheit einer bürgerliche Partei - für eine Stadt wie Wien ein Kuriosum. Diese Rolle sollte eigentlich die Wiener ÖVP spielen, doch deren elitäre, im 19. Jahrhundert wurzelnde Bildungs- und katholisch geprägte Gesellschaftspolitik spricht moderne Stadtmenschen längst nicht mehr an. Auch in ihrer ureigenen Domäne Wirtschaft ist die ÖVP längst nicht mehr erfolgreich: Die erstmals in Wien kandidierende neoliberale Neos versteht sich als die "junge und moderne ÖVP", doch blieb der durchschlagende Erfolg bislang aus.

ÖVP-Spitzenkandidat Manfred Juraczka versprüht den Charme eines Internatsleiters, weshalb ihm auf dem Wahlplakat der jugendliche Parteifreund und Außenminister Sebastian Kurz als Lockvogel für Jungwähler Gesellschaft leistet. Geradezu demütigend für die ÖVP war, als Ursula Stenzel, bislang die Vorsteherin des traditionell schwarzen ersten Wiener Gemeindebezirks - dort, wo sich der imperiale Glanz der Stadt bündelt -, tief enttäuscht zur FPÖ übergelaufen ist. Dabei gibt die 70-jährige Ex-TV-Moderatorin mit ihrem bourgeoisen Habitus inmitten grölender FPÖ-Anhänger eher eine tragikomische Figur ab.

Das Hauptinteresse des mittlerweile 46-jährigen FPÖ-Chefs Strache gilt allerdings nicht dem Wiener Bürgermeisterposten, sondern dem Kanzleramt: sehr wahrscheinlich, dass nach Wien die Bundeswahl früher kommt als 2018. Die rot-schwarze Koalition wirkt ideenlos und ausgelaugt, Kanzler Werner Faymann (SPÖ) angeschlagen. Das Modell Rot-Schwarz, das die Republik über 40 der 70 Nachkriegsjahre dominiert hat, ist praktisch schon abgewählt: Noch vor 20 Jahren brachten es beide Traditionsparteien auf gut 90 Prozent der Stimmen, derzeit liegen sie deutlich unter 50 Prozent.

(RP)
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