Berlin Flutkatastrophe: Merkel verspricht Opfern 100 Millionen Soforthilfe

Berlin · Die Bundeskanzlerin reist ins Hochwassergebiet. Die SPD kritisiert den "politischen Flut-Tourismus".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Bayern, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt Soforthilfe von 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau versprochen. Bund und Länder wollen sich die Kosten teilen.

Nach einem Flug mit dem Bundeswehr-Hubschrauber über dem Hochwassergebiet in Bayern zeigte sich die Kanzlerin betroffen. "Wir haben gedacht, 2002 war die Lage schon exorbitant", so Merkel. Jetzt sei sie noch dramatischer. Es gehe jetzt um "unbürokratische Hilfe". Die Regierungschefin war gestern Morgen zusammen mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in das Krisengebiet nach Passau geflogen.

In braunen Bergsteigerschuhen und dunkelblauer Herbstjacke besuchte Merkel an der Seite von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer die überflutete Stadt, ließ sich mit Helfern fotografieren und sprach der Bevölkerung Mut zu. Der Pegelstand in Passau war nach Behördenangaben auf 12,89 Meter gestiegen, die größte Flut seit 1501. Bei der sogenannten Jahrhundertflut im Jahr 2002 wurden 12,20 Meter gemessen. Später flog die Kanzlerin weiter in die Hochwasser-Gebiete nach Sachsen und Thüringen. Deutschlandweit kamen im Hochwasser bisher mindestens vier Menschen ums Leben. Tausende Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdiensten, Technischem Hilfswerk und Soldaten der Bundeswehr schütteten auch gestern Dämme auf, füllten Sandsäcke und evakuierten Bewohner aus überfluteten Häusern.

Das Bundeskabinett will heute die Millionenhilfe beschließen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte sich für staatliche Hilfen ausgesprochen. Friedrich wies darauf hin, dass in den letzten Jahren viel Geld in den Hochwasserschutz investiert worden sei. Zwar hätten viele Maßnahmen dazu beigetragen, das Schlimmste zu verhindern. "Leider ist das nicht überall gelungen", räumte der Minister ein. Ein Teil sei noch im Bau gewesen, an anderen Stellen seien die Pegel von 2002 massiv übertroffen worden.

Niedersachsen bereitet sich auf eine dramatische Entwicklung vor, gestern Abend wurde der Katastrophenalarm ausgerufen. In Sachsen-Anhalt wird heute mit dem Höchststand gerechnet. Katastrophenalarm wurde bereits für Magdeburg und andere Städte ausgelöst. Zehntausende Bewohner sind allein in Bitterfeld aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Für das Rheinland gaben die Behörden Entwarnung. Zwar stiegen die Rheinpegel gestern an, doch langsamer als am Vortag. In Köln und Düsseldorf erwartete die Kölner Hochwasserschutzzentrale nur noch einen Anstieg um 30 Zentimeter.

Experten forderten bessere Ablaufmöglichkeiten für Hochwasser. "Es gibt keinen absoluten Schutz, aber ich halte es für richtig, dass gefährdete Gebiete nicht mehr als Baugebiete ausgewiesen werden", sagte der Münchner Hochwasser-Experte Daniel Skublics. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Hubert Weiger, verlangte einen Baustopp. "Die Talauen müssen Taburäume für die Besiedlung sein, damit wir den Fließgewässern generell mehr Platz geben können", sagte Weiger.

Der Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude kritisierte die Politikerbesuche in den Hochwassergebieten. "Ich finde, es gehört sich nicht, mit der Not der Menschen Wahlkampf zu machen und als politischer Flut-Tourist in Gummistiefeln womöglich noch die Rettungskräfte zu behindern." Ob SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Hochwasserregionen besucht, blieb offen.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) trifft heute in Berlin Wirtschaftsvertreter, um mit ihnen über die Folgen für die Unternehmen zu beraten. Schnelle und unbürokratische Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen müssten organisiert werden, sagte Rösler. Die FDP sprach sich auch dafür aus, finanzielle Mittel über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau bereitzustellen.

(RP)
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