Nein zu Türkei-Hilfe bleibt Fischer sieht noch Chance für Frieden

Berlin (rpo). Außenminister Joschka Fischer glaubt noch an eine friedliche Lösung der Irak-Krise quasi in letzter Minute. Die Abrüstung schreite voran, sagte Fischer einen Tag vor Ablauf des Ultimatums für die Vernichtung der irakischen Al- Samoud-2-Raketen.

"Ich begreife nicht, warum dieser Prozess jetzt abgeschlossen werden soll, wo er gerade beginnt, konkrete Ergebnisse zu zeigen." Der Irak müsse den Weg der Abrüstung weitergehen. Die Bundesregierung bekräftigte zugleich ihr Nein zu weiterem Militärschutz für die Türkei.

Vize-Regierungssprecher Hans-Hermann Langguth sagte für die rot- grüne Bundesregierung in Berlin zur prinzipiellen Zusage des Irak, die Raketen zu zerstören: "Wir sind der Auffassung, dass den Worten nun rasch Taten folgen sollten."

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Schäuble (CDU) warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eine "unsolidarische Politik" gegenüber den USA vor. Er warnte vor einer Achse zwischen Berlin, Paris und Moskau. "Mit der Rückkehr zu alten Achsen schlagen wir die Lehren der Vergangenheit in den Wind", sagte er der Tageszeitung "Die Welt" (Samstag). Auch das Memorandum Deutschlands, Frankreichs und Russlands an den Sicherheitsrat sei falsch gewesen: "Die Botschaft an den Diktator war: Wir tun alles, um den USA in den Arm zu fallen."

Der US-Botschafter in Deutschland, Daniel Coats, sagte der "Märkischen Allgemeinen" (Potsdam/Samstag) US-Präsident George W. Bush sei über den Ton des Bundestagswahlkampfes sehr überrascht gewesen, "zumal man vorher monatelang in der Irak-Frage die gleiche Linie vertreten hatte". Als Folge sei zwischen Bush und Schröder die Vertrauensbasis zerstört. Coats forderte die Bundesregierung dennoch auf, ihre Irak-Position zu überdenken: "Wir haben Deutschland in schwierigen Zeiten immer unterstützt, obwohl es auch bei uns Menschen gab, die dagegen waren."

Der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, sieht kaum Möglichkeiten für Deutschland, sich der NATO- Bitte um mehr Schutz für die Türkei zu entziehen. "Deutschland wird hier schon eine etwas intelligentere Antwort als "Wir haben schon genug getan" geben müssen", sagte er im Inforadio Berlin-Brandenburg.

Die NATO hatte die Mitglieder darum gebeten, zusätzliche Beiträge zum Militärschutz für die Türkei bis Freitag zu melden. Das hat Berlin nicht getan. Langguth verwies lediglich auf Äußerungen von Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Beide hatten erklärt, Deutschland habe schon genug getan mit der Bereitstellung von Soldaten für AWACS-Aufklärungsflüge sowie der Lieferung von Raketen für das Luftabwehrsystem "Patriot" an die Niederlande, die diese in die Türkei schickten. Die Absage soll direkt erst an diesem Montag bei der Truppenstellerkonferenz erteilt werden.

Der Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Klaus-Dieter Schwarz, sagte der dpa: "Richtig ist, dass Deutschland mehr Patriot-Systeme liefern könnte." Die Art und Weise der Absage passe in das gegenwärtige schlechte Klima in der internationalen Sicherheitspolitik. Die Regierung halte sich aber an die NATO-Gepflogenheiten.

Die Mehrheit der Deutschen hält die Irak-Politik von Schröder für glaubwürdig. 51 Prozent äußerten diese Meinung auch nach der von Deutschland unterzeichneten neuen EU-Erklärung, die Gewaltanwendung gegen den Irak als letztes Mittel nicht ausschließt. Dies ergab eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Nachrichtensender n-tv. Nach einer Forsa-Umfrage für den Fernsehsender N24 sind drei Viertel der Deutschen (74 Prozent) der Meinung, Deutschland sollte einer zweiten Irak-Resolution des Sicherheitsrates nicht zustimmen, die einen Krieg legitimieren würde. 21 Prozent vertreten die gegenteilige Auffassung.

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