Ferguson Ferguson in Flammen

Ferguson · Die Proteste in der US-Stadt eskalieren erneut, weil Todesschütze Darren Wilson nicht angeklagt wird. Appelle zur Mäßigung verhallen.

Schwarzer Rauch zieht über die South Florissant Road. In der Mitte der Straße brennt ein Auto. Nur noch die Umrisse des Rahmens sind zu erkennen von dem Streifenwagen der Polizei, den wütende Protestler am Montagabend in Brand gesteckt haben. Und während er traurig auf die Flammen blickt, muss sich Michael Robinson eingestehen, dass er gescheitert ist mit seiner Mission.

Robinson, Pfarrer einer afroamerikanischen Kirche, hatte sich extra ein orangefarbenes T-Shirt übergestreift. Grelles Orange, es sollte weithin sichtbar sein. "Clergy United" steht auf dem Stoff: Geistliche aus dem Ballungsraum St. Louis hatten sich zusammengetan in dem Versuch, das drohende Chaos zu bannen. Er wolle dafür sorgen, dass sich Polizisten und Demonstranten an Absprachen halten, hatte der Pastor erklärt. Keine Steine, keine Brandbomben. Auch auf der anderen Seite Zurückhaltung, keine Handschellen, kein Tränengas.

Jetzt, nachdem die Grand Jury entschieden hat, dass gegen den Polizisten Darren Wilson keine Anklage erhoben wird, bleibt Robinson abends gegen zehn Uhr nichts anderes übrig, als zuzuschauen, wie die Lage an der South Florissant Road eskaliert. Warum der zuständige Staatsanwalt Robert McCulloch vom Mittag bis zum Abend gewartet hatte, um die Entscheidung der neun weißen und drei schwarzen Geschworenen nach 25 geheimen Sitzungen zu verkünden, kann keiner überzeugend erklären. Wilson, der weiße Polizist, der am 9. August den schwarzen Teenager Michael Brown erschoss, wurde von der Jury in allen Punkten entlastet.

Doch in Ferguson wollte man sich damit nicht zufriedengeben. Brianna, eine junge Frau, die ihren Familiennamen nicht nennen will, hat sich einen Schal hoch ins Gesicht gezogen, so dass er Mund und Nase bedeckt. Sie will unerkannt bleiben. Wer einen Menschen erschieße, habe sich vor einem Richter zu verantworten, sagt sie. "Das hier ist inakzeptabel. Also verhalten auch wir uns inakzeptabel."

Die Polizei geht hart gegen die Demonstranten vor. Stehen bleiben ist verboten. "Treten Sie auf den Bürgersteig!", kommandieren Polizisten, die Gesichter mit Plastikschilden geschützt. "Wer dem Befehl nicht Folge leistet, wird verhaftet." Pfarrer Michael Robinson versucht, Schlimmeres zu verhindern. Er zerrt am Ärmel eines Teenagers, ruft, dass man zurückweichen soll. Vergebens. Tränengas fliegt. Die Weihnachtsreklame wirkt merkwürdig deplatziert. Zum Glück treibt der Wind die Tränengasschwaden bald wieder weg.

Während die maskierte Brianna eisern entschlossen vor Marley's Kneipe steht, kann man Carmen Sherman nur im Gehen interviewen. Bloß keine Verhaftung! Eine Festnahme kann sich eine sechsfache Mutter nicht leisten. Sobald sich Beamte nähern, huscht sie davon. Darren Wilson, sagt Sherman, hätte einen Prozess kriegen müssen, nur das hätte die Wogen geglättet.

Doch Staatsanwalt McCulloch, Sohn eines Polizisten, zeichnete in seiner Erklärung die Skizze eines Ordnungshüters, der in Notwehr handelte. Demnach heftete sich Wilson im Streifenwagen an Browns Fersen, nachdem der in einem Laden Zigarren gestohlen hatte, nicht nur, weil der 18-Jährige mitten auf der Straße lief, wie es anfangs hieß. Später verfolgt er ihn noch zu Fuß, fordert ihn auf, sich auf den Boden zu legen. Stattdessen dreht sich der Teenager um und rennt auf ihn zu. Er habe mehrmals gefeuert, bis Brown zu Boden stürzte, gibt Wilson am Tag nach der Tat zu Protokoll. McCulloch wiederholt alle Details.

Als der Staatsanwalt fertig ist, steht Lesley McSpadden vorm Polizeirevier an der South Florissant Road und lässt ihren Emotionen freien Lauf. "Das ist falsch!", protestiert die Mutter Browns. Die Familie ist enttäuscht, dass der "Killer" für seine Tat nicht geradestehen müsse, gleichwohl bittet sie, den Ärger darüber in Bahnen zu lenken, die einen Wandel zum Guten bewirken. Es sind Worte, die ohne Echo verhallen, zumindest in dieser Nacht.

(RP)
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