Berlin FDP zwingt sich zur Geschlossenheit

Berlin · Auf dem Parteitag am Wochenende soll das Wahlkampf-Tandem Rösler/Brüderle gekürt werden. Gerangel gibt es in der zweiten Reihe.

Philipp Rösler, der kürzlich 40 Jahre alt gewordene FDP-Chef, hat sich neulich im Kino "Lincoln" angeschaut. In dem Film wird der frühere US-Präsident porträtiert, der einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führte, um sein Ziel, die Abschaffung der Sklaverei, umzusetzen. Rösler fand den Film gut.

Auch der Chefliberale musste zuletzt Kämpfe gegen die eigenen Leute ausfechten. Allein zwei Kabinettskollegen, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Entwicklungsminister Dirk Niebel, machten ihrem Vorsitzenden deutlich, dass sie ihn für fehl am Platz halten. Doch Rösler ging in die Offensive, drängte seinen vermeintlichen Widersacher, Fraktionschef Rainer Brüderle, auf offener Bühne in der Präsidiumssitzung zum Schwur. Brüderle lehnte den Parteivorsitz ab, Rösler war gestärkt. Seitdem herrscht Ruhe. Brüderle konzentriert sich auf sein Amt als Spitzenmann, Rösler bleibt Parteichef.

Die Tandemlösung für den Bundestagswahlkampf soll der Parteitag heute in Berlin absegnen. Brüderle und Rösler proben den Schulterschluss. Und sprechen sich ab. So hält Rösler heute die große Parteitagsrede, Brüderle erst morgen. Das große Ziel: Es soll endlich Ruhe sein in der von Intrigen und Personalkämpfen zermürbten Partei.

Gerangel gibt es dafür in der zweiten Reihe. Die frühere Bundestags-Fraktionschefin Birgit Homburger, Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow, Leutheusser-Schnarrenberger sowie der einflussreiche Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, treten für die drei Posten als Vize-Parteichefs an. Als gesetzt gelten Lindner, der von vielen als heimlicher Parteichef betrachtet wird, und Leutheusser-Schnarrenberger. Zastrow, ein Marktwirtschaftler durch und durch, kann auf die Ostverbände zählen. Doch Homburger hat nicht nur ihren eigenen Verband Baden-Württemberg, sondern auch Bayern und Nordrhein-Westfalen hinter sich.

Eine Kampfkandidatur dürfte es auch um die drei Beisitzerposten für das Präsidium geben. Gesundheitsminister Daniel Bahr tritt an, auch Hessens Landeschef Jörg-Uwe Hahn, Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki und Entwicklungsminister Dirk Niebel. Niebel steht seit seiner Kritik an Rösler beim Dreikönigstreffen scharf in der Kritik. Die Jungliberalen, aber auch NRW, Bayern und die eigene Landeschefin Homburger sollen sich intern gegen ihn ausgesprochen haben.

Wie viele Unzufriedene unter den Delegierten Niebel trotz aller Absprachen für sich gewinnen kann, das ist die spannende Frage. Sollte Niebel gewählt werden, wäre das eine Schlappe für Rösler. Brüderle dagegen kann sich entspannen: Er soll per Akklamation zum Spitzenmann ausgerufen werden. Brüderle wird sich in seiner Rede am Sonntagmorgen dann auf heftige Attacken gegen Rot-Grün konzentrieren. Dass Brüderle zuspitzen kann, hat er erst gestern wieder bewiesen, als er über einen Austritt Italiens aus dem Euro spekulierte. Der Wirtschaftsexperte will sich aber auch inhaltlich breiter präsentieren; die Passagen zur internationalen Politik, zu Bürgerrechten und Gesellschaftspolitik sollen umfassender ausfallen.

Inhaltlich soll der Parteitag, der ursprünglich im Mai stattfinden sollte, aber wegen der Personalquerelen vorgezogen wurde, den neuen Kurs der Parteispitze beim Mindestlohn absegnen. Per Eilantrag regt der Vorstand an, dass Mindestlöhne in einzelnen Branchen umgesetzt werden können, aber nicht vom Gesetzgeber diktiert werden sollen.

Die Liberalen wollen außerdem den Druck auf die Union bei der Homo-Ehe erhöhen. In einem unter anderem von Leutheusser-Schnarrenberger, Außenminister Guido Westerwelle und NRW-Landeschef Lindner eingebrachten Dringlichkeitsantrag wird kritisiert, dass die Union die volle Gleichstellung von Lebenspartnerschaften bei der Einkommensteuer und beim Adoptionsrecht blockiere. "Die FDP besteht weiterhin auf der Gleichstellung noch in dieser Wahlperiode", heißt es.

Einer Gesetzesinitiative der Grünen zur Gleichstellung im Adoptionsrecht, die kommende Woche im Bundestag beraten wird, räumen Befürworter aber keine Chancen ein. FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann unterstrich, seine Partei sei "innerhalb dieser Koalition Motor für moderne und tolerante Gesellschaftspolitik". Und CDU-Gleichstellungsbefürworter Jens Spahn sagte: "Wir werben für eine Diskussion und eine neue Position erst mal innerhalb der Union."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort