Ampelkoalition 2013 in der Debatte FDP wirbt für Steinbrück

Berlin · Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hat den früheren Finanzminister Peer Steinbrück in der Sponsor-Affäre in Schutz genommen. Zugleich befeuerte er die Debatte um eine mögliche Ampelkoalition 2013 auf Bundesebene.

Die Frage, wer für die SPD als Kanzlerkandidat antreten soll, hat eine überraschende Wende genommen: Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki warb gestern offen für den früheren Finanzminister Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat. "Auch ich glaube, dass Steinbrück Kanzler kann", sagte Kubicki. Steinbrück, mit dem Kubicki einst gemeinsam in Kiel studierte, sei "intelligent, messerscharf analysierend und vor allen Dingen pragmatisch zupackend".

Zugleich sprach sich Kubicki, der in seiner Partei wahlweise als politisches Sicherheitsrisiko oder als genialer Stratege wahrgenommen wird, erneut für ein Ampelbündnis auf Bundesebene ab 2013 aus. "Ich würde nicht mit jedem Sozi regieren", adelte er den Studienfreund.

Auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der sich bislang gegen Ampelkoalitionen ausgesprochen hatte, zeigte sich in der Koalitionsfrage offen. Auch "andere Mütter haben schöne Töchter", sagte der FDP-Politiker in Anspielung darauf, dass die Liberalen nicht auf die Union festgelegt seien. Die Aussage anderer führender Liberaler, wonach SPD und FDP nicht koalitionsfähig seien, nannte Kubicki "schlicht und ergreifend Nonsens".

Anlass für den Schulterschluss des FDP-Frontmanns mit Steinbrück war die Vorstellung der Biografie über Steinbrück von Daniel Goffart, der das Berliner Büro des "Focus" leitet. Damit sind innerhalb eines Jahres insgesamt drei Bücher über den möglichen Kanzlerkandidaten der SPD erschienen.

Während der Buchpräsentation schlüpfte Kubicki zugleich in die Rolle des Steinbrück-Verteidigers. Die Biografie enthüllt, dass Steinbrück 2006 als Finanzminister der großen Koalition eine Sponsoren-Anfrage an die damaligen Chefs von Telekom und Post, Kai-Uwe Ricke und Klaus Zumwinkel, stellte. Steinbrück bat in dem Schreiben um die Finanzierung eines Kampfs des damaligen Schach-Weltmeisters Wladimir Kramnik gegen den Schachcomputer "Deep Fritz". Steinbrück selbst ist leidenschaftlicher Schachspieler, der sich auch selbst mit den Großen der Schachszene misst.

Das Pikante an seiner Anfrage: Der Bund ist Haupteigentümer der beiden früheren Staatsunternehmen. Beide Manager beschieden das Anliegen des Finanzministers negativ. Die Juristen streiten darüber, ob es rechtlich überhaupt zulässig gewesen wäre, wenn sie der Bitte Steinbrücks nachgekommen wären. Aktienrechtler bezeichneten das Vorgehen Steinbrücks als "Dummheit".

Für Kubicki, Jurist und Rechtsanwalt, ist die Sache klar: "Ich selbst kann in dem Vorgang nicht Unkonventionelles, Unmoralisches, Anrüchiges sehen", sagte er und verwahrte sich auch gegen den Vergleich von Steinbrücks Vorgehen mit der Einkaufswagen-Chip-Affäre von 1992 des früheren Wirtschaftsministers Jürgen Möllemann (FDP). Dieser hatte auf dem offiziellen Briefbogen des Wirtschaftsministers für ein Chip-System zur Ausstattung von Einkaufswagen geworben, das sein Schwager vertrieb. Möllemann musste zurücktreten. Kubicki wies darauf hin, dass Steinbrück seine Bitte nicht mit dem offiziellen Briefkopf des Finanzministeriums verfasst habe. In der Biografie ist eine Kopie des Originalbriefs abgedruckt. Dort ist im Briefkopf zu lesen: "Peer Steinbrück Bundesminister der Finanzen".

Steinbrück selbst bezeichnete die Vorwürfe der unerlaubten Sponsorenwerbung als "Lappalie". Der mögliche Kanzlerkandidat verteidigte auch den Briefkopf des Schreibens. "Ich habe nicht unter meinem Dienstsiegel geschrieben, sondern unter dem, was auch offiziell in Berlin Privatdienstbogen genannt wird", sagte er. "Ich habe auf niemanden Druck ausgeübt."

Die SPD stellte sich hinter Steinbrück. "Das ist aus meiner Sicht nicht problematisch", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles. Auch der SPD-nahe Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung hält die neuen Vorwürfe gegen Steinbrück in der Sponsoring-Affäre für haltlos. "Viel Lärm um nichts", sagte der Sprecher des Managerkreises, Klaas Hübner, unserer Zeitung. Es sei ersichtlich, dass es sich in dem Schreiben nicht um den offiziellen Briefkopf des Bundesministeriums der Finanzen gehandelt habe, sagte Hübner. "Es ist Alltag in der Demokratie, dass Politiker um Sponsoren oder Spenden bitten."

Die Geschichte geht allerdings noch weiter: Goffart beschreibt in seinem Steinbrück-Buch, wie beide Manager, Ricke und Zumwinkel, am Ende tief gefallen sind. Ricke wurde als Telekom-Chef im November 2006 abgesetzt. Von der Nachricht wurde der Betroffene selbst überrascht. "Die treibende Kraft für den Sturz des Telekom-Chefs" müsse bei der damaligen Bundesregierung "zu suchen sein", schreibt Goffart. Der frühere Postchef Zumwinkel musste seinen Posten wegen Steuerhinterziehung räumen. Als er Besuch von der Staatsanwaltschaft erhielt, wartete auch ein "gezielt informiertes Kamerateam des ZDF". Goffart stellt die Verbindung zum damaligen Finanzminister her: "Steinbrück gab grünes Licht, gegen Zumwinkel vorzugehen, obwohl die Beschaffung der Unterlagen mit den Namen der deutschen Steuerhinterzieher das Ergebnis einer Straftat waren."

Dass der Autor die möglichen Zusammenhänge zwischen der Sponsoring-Absage an den Finanzminister und die öffentlichen Demütigungen der Top-Manager so schonungslos seziert, ist bemerkenswert. Immerhin bekennt er sich im Vorwort des Buchs klar dazu, dass er Peer Steinbrück als Bundeskanzler für geeignet hält.

Internet Die drei Kanzlerkandidaten im Überblick unter rp-online.de/politik

(qua)
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