Rigoroses Reformprogramm FDP sieht sich wieder im Aufwind

Bremen (rpo). Mit neuer Geschlossenheit und einem radikalen Reformprogramm will die FDP nach Monaten der Krise jetzt wieder Profil gewinnen.

<P>Bremen (rpo). Mit neuer Geschlossenheit und einem radikalen Reformprogramm will die FDP nach Monaten der Krise jetzt wieder Profil gewinnen.

"Wir wollen den anderen Parteien Feuer unter dem Hintern machen", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag zum Abschluss des Parteitags in Bremen. "Wir sind regierungswillig und regierungsfähig." Trotz mehrerer Denkzettel bei der Wahl der Führungsriege sieht Westerwelle seine Partei nach der Möllemann-Affäre und der Schlappe bei der Bundestagswahl wieder im Aufwind. "Das war ein Parteitag, der beflügelt."

Westerwelle erneuerte zwar sein Angebot an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Zusammenarbeit bei der Reform-Agenda 2010, betonte aber angesichts der Steuerdebatte in der SPD: "Die FDP wird die entschiedenste Oppositionskraft gegen einen Chaoskurs in die Katastrophe sein." Die Rücktrittsdrohungen des Kanzlers seien "ein Fäulnisprozess, der sich vielleicht herauszögern lässt, der aber der Anfang vom Ende der Regierung sein wird". Erneut verlangte der FDP- Chef Neuwahlen.

Die Affäre um den mittlerweile aus der Partei ausgetretenen früheren FDP-Vize Jürgen Möllemann erklärte Westerwelle für beendet: "Wir haben ein Kapitel abschlossen." Möllemann hatte die Partei mit Kritik an der israelischen Regierung und einer Spendenaffäre in eine monatelange Krise gestürzt.

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz warf der FDP "prinzipienlosen Erneuerungseifer" vor. Damit könne die Partei "allenfalls die Probleme ihrer eigenen Klientel, nicht aber diejenigen des gesamten Landes" lösen, erklärte er in Berlin.

Wie zuvor in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik forderte die FDP zum Abschluss des dreitägigen Delegiertentreffens auch in der Außenpolitik drastische Kurskorrekturen. Der deutschen Außenpolitik fehle die große Linie, bemängelte Fraktionschef Wolfgang Gerhardt. Die Geschichte der deutschen Irak-Politik seit 2001 sei "die Geschichte einer Achterbahnfahrt". Er verlangte eine klare transatlantische Ausrichtung der deutschen und europäischen Politik, warnte die USA aber vor weiteren Alleingängen wie im Irak.

Gerhardt stellte die Eignung von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) für das Amt eines EU-Außenministers in Frage. Fischer habe im Irak-Konflikt "keine wirklich europäische Außenpolitik vertreten". Zur Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen sagte er: "Die transatlantische Megafondiplomatie muss beendet werden." Strittigstes Thema in der außenpolitischen Debatte war die Frage des Beitritts der Türkei zur EU. Die FDP lehnt zum jetzigen Zeitpunkt eine Festlegung auf eine Aufnahme wegen der Menschenrechtsverletzungen in dem Land ab. Verschiedene Delegierte plädierten dafür, dem Land eine klare Beitrittsperspektive zu geben.

In einem fast einstimmig verabschiedeten Reformkonzept verlangt die FDP einen drastischen Abbau von Steuern, Abgaben, Lohnnebenkosten, Subventionen und Bürokratie. Die Partei will bei der Einkommensteuer einen Stufentarif von 15, 25 und 35 Prozent einführen, die Subventionen von 55 Milliarden Euro jährlich um 20 Prozent kürzen und die Lohnnebenkosten von 42 auf 35 Prozent verringern.

Die Freidemokraten fordern tiefe Einschnitte in das Sozialsystem. Das Arbeitslosengeld soll auf zwölf Monate begrenzt, der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung auf das medizinisch Notwendige reduziert und der Kündigungsschutz in Firmen mit weniger als 20 Beschäftigten gestrichen werden.

Bei der Wahl der Führungsmannschaft erteilten die Delegierten der vor allem in den westdeutschen Landesverbänden umstrittenen Generalsekretärin Cornelia Pieper mit 60,9 Prozent (2001: 74,6) einen Denkzettel. Das war das schlechteste Ergebnis für einen FDP- Generalsekretär seit zwölf Jahren.

Zuvor hatte schon Parteichef Westerwelle mit 79,8 Prozent (2001: 88,9) einen Dämpfer einstecken müssen. Unter seinen Stellvertretern erzielte der rheinland-pfälzische FDP-Chef Brüderle mit 88,7 Prozent das beste Ergebnis. Baden-Württembergs FDP-Chef Walter Döring fiel im ersten Wahlgang mit 49,3 Prozent durch. Im zweiten Anlauf kam er auf 56,8 Prozent. Der FDP-Chef von Nordrhein- Westfalen, Andreas Pinkwart, erreichte ebenfalls magere 61,7 Prozent.

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