Brüssel FDP-Politikerin verliert Doktortitel

Brüssel · Die Universität Heidelberg hat der liberalen Europa-Abgeordneten Silvana Koch-Mehrin ihren Doktor aberkannt. Ihre Dissertation bestehe "in substanziellen Teilen aus Plagiaten", so das Urteil des Promotionsausschusses. Die FDP-Politikerin hält sich offen, die Entscheidung anzufechten.

Auf ihrer Internet-Seite war die Welt von Silvana Koch-Mehrin gestern Abend noch in Ordnung: Dort lächelte die attraktive Miss Europa der FDP den Nutzer gewinnend und großflächig an. Links daneben prangte in blauen Lettern ihr Name – plus Doktortitel.

Doch den ist die Europa-Abgeordnete nun wegen Täuschung los. Am Nachmittag traf die Hiobsbotschaft in Brüssel ein: Die Universität Heidelberg erkennt Koch-Mehrin das begehrte "Dr." ab. Der Promotionsausschuss kam nach gut zweimonatiger Prüfung zu dem Schluss, dass die Dissertation der 40-Jährigen "in substanziellen Teilen aus Plagiaten" besteht. Auf etwa 80 Seiten fanden die Prüfer über 120 kopierte Stellen aus über 30 verschiedenen Quellen. Zwei Drittel davon gab Koch-Mehrin nicht im Literaturverzeichnis ihrer Arbeit über die Lateinische Münzunion an. "Angesichts der Vielzahl und des systematischen Charakters der Plagiate kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich Frau Koch-Mehrin in ihrer Dissertation fremdes geistiges Eigentum angeeignet und als das eigene ausgegeben hat", so das Fazit von Dekan Manfred Berg. Der Entzug des Titels sei deshalb zwingend.

Die liberale Vorzeigefrau kündigte umgehend an, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen. Internet-Plagiatsjäger hatten das Prüfverfahren im Frühjahr ins Rollen gebracht. Anders als der zurückgetretene Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der Abschreib-Vorwürfe bei seiner Dissertation zunächst vehement abstritt und dann klein beigeben musste, entschied sich Koch-Mehrin für eine andere Krisenstrategie. Die Power-Frau mit dem Hang zur Selbstdarstellung schwieg hartnäckig. Als sich dann abzeichnete, dass ihr Doktortitel in Gefahr ist, zog sie umgehend Konsequenzen: Am 11. Mai trat Koch-Mehrin als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Vorsitzende der FDP-Europagruppe zurück, verlor dadurch auch ihren Posten im Präsidium der Bundespartei. Sie begründete den Schritt damit, dass sie sowohl ihre Partei als auch ihre Familie schützen wolle. Diese Strategie der Schadensbegrenzung milderte den öffentlichen Druck so weit, dass die dreifache Mutter zumindest ihr lukratives Abgeordnetenmandat – mit 7956,87 Euro an Diäten im Monat – bislang noch behalten kann.

(RP)
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