Unbeirrt von Rückkehr anderer Friedensaktivisten Familienvater wird menschliches Schutzschild in Irak

München (rpo). Jürgen Smolla hat einen genauen Friedensplan: Michael Jackson, Bruce Springsteen und die Rolling Stones geben gemeinsam ein Konzert in Bagdad. Doch das bleibt wohl ein Traum. Deshalb geht 48-jährige Familienvater aus Herrsching am Ammersee selbst als so genanntes menschliches Schutzschild nach Irak.

Am (morgigen) Mittwoch beginnt Smollas riskante Reise. Um 11:55 Uhr, fünf vor Zwölf, will er mit drei Begleitern vom Münchner Flughafen aus starten. Gemeinsam wollen sie Medikamente in ein Krankenhaus bringen und dort vor allem junge Patienten vor möglichen Bomben schützen. Smolla sagt: "Ich möchte nie wieder diese Bilder von getöteten Kindern sehen, wie im letzten Golfkrieg oder in Afghanistan. Wenn ich auch nur ein Kind vor Schaden bewahren könnte, wäre das schon gut."

Die Situation für Friedensaktivisten in Irak ist jedoch schwierig. Entgegen ihren ursprünglichen Vorstellungen können sie sich nicht frei bewegen. Das Regime Saddam Husseins diktiert ihnen ihre Einsatzorte. Aus Protest haben daraufhin zirka 200 Aktivisten das Land wieder verlassen. Die verbliebenen 80 Frauen und Männer schützen derzeit ein Lebensmittellager, ein Wasserkraftwerk, ein Elektrizitätswerk und eine Ölraffinerie. Den Schutzauftrag für eine Schule oder Klinik hat derzeit niemand.

Jürgen Smolla belastet das: Ich will keine Marionette der Regierung Saddam Husseins sein. Ich möchte ein Mitspracherecht haben." Schließlich fahre er freiwillig dorthin, zahle sämtliche Reisekosten aus der eigenen Tasche und trage allein das Risiko. Wie alle, die Ken Nichols O'Keefes Ruf in den Irak folgen. O'Keefe, der als US-Soldat am letzten Golfkrieg teilnahm, ist der Anführer der menschlichen Schutzschilde. Er betrachtet Krieg als "ein Mittel von Affen". Er hatte die Idee, westliche Friedensaktivisten in den Irak zu bringen. Sie sollten sich unters irakische Volk mischen und so den Krieg verhindern. O'Keefe hoffte auf 10.000 Aktivisten.

Daran, dass die Aktion scheitert, bevor sie richtig angelaufen ist, will Chris Janecka nicht glauben. Der US-Amerikaner, der in Dresden lebt, hilft O'Keefe, indem er Menschen aus ganz Europa mit Informationen rund um die Schutzschild-Mission versorgt. 50 Männer und Frauen seien fest entschlossen, in den nächsten Tagen abzureisen, obwohl er jeden gewarnt habe: "Der Trip ist kein Spaß, das kann tödlicher Ernstwerden."

Smolla ist sich dessen bewusst. Vor wenigen Tagen hat er sein Testament gemacht. Als Selbstmordkommando empfindet er seine Mission aber nicht: "Ich habe keine Lust, Märtyrer zu spielen." Smollas Frau und Sohn reagierten mit Unverständnis: "Warum ausgerechnet du?" hätten sie gefragt. Er fühle sich gegenüber den irakischen Kindern verantwortlich, habe er geantwortet. Viel lieber würde er zwar Urlaub in der Südsee machen, das aber verbiete seine Moral. Er sagt: "Ich muss nach Irak. Es wäre feige, sich davor zu drücken. Man kann nicht immer nur in der Rolle des stillen Beobachters verharren, der nichts tut."

Seinen Rückflug hat Jürgen Smolla schon gebucht. Er glaubt fest daran, dass er am 29. März heil nach Deutschland zurückkehrt. Dann wird er Jeans und Tarnweste gegen Anzug und Krawatte eintauschen und wieder seinen Finanzgeschäften nachgehen. Bis es soweit ist, will er aber in Irak seinem Vorbild Mahatma Gandhi nacheifern und den zivilen Ungehorsam ausüben. Wer das lächerlich finde, sei dumm, glaubt Smolla: "Es ist doch viel mutiger, die Welt gewaltlos zu verbessern als immer wieder wie zu Urzeiten mit Keulen aufeinander einzuschlagen."

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