Berlin Fall Schavan – Uni beruft sich auf Zitiervorgaben von 1979

Berlin · Die unter Plagiatsverdacht stehende Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fühlt sich von der Wissenschaft unterstützt. "Ich erhalte seit Wochen derart viel Zuspruch aus der Wissenschaft, dass ich auch die Verantwortung spüre, nicht aufzugeben", sagte Schavan der Ulmer "Südwest-Presse".

Der Vorwurf der Täuschung habe sie "ins Mark getroffen". Es gehe nicht um einen Doktortitel, sondern um ihre Integrität, sagte Schavan. Sie habe sich aber vorgenommen: "Bloß kein Selbstmitleid." Heute will sich die CDU-Politikerin in ihrem Wahlkreis Ulm/Alb-Donau erneut für den Bundestag nominieren lassen.

Der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf hatte am Dienstag ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels eingeleitet. Zuvor hatte der Vorsitzende der Promotionskommission, Stefan Rohrbacher, Schavan in einem Gutachten eine "leitende Täuschungsabsicht" vorgeworfen und Textstellen auf 60 der 351 Seiten der Dissertation beanstandet. Schavan hatte 1980 über das Thema "Person und Gewissen" promoviert.

Die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf hat nach Informationen unserer Zeitung inzwischen dem Deutschen Hochschulverband einen Leitfaden zur "Technik wissenschaftlichen Arbeitens" zugeleitet, der von einem Düsseldorfer Pädagogik-Professor im Jahr 1979 geschrieben wurde. Daraus ergebe sich, dass die Qualitätsstandards für die Literaturverarbeitung schon damals so hoch waren wie heute. Der Fakultätsrat will das Dokument im Verfahren auswerten. Mehrere Wissenschaftler hatten der Uni Düsseldorf zuletzt vorgeworfen, heutige Maßstäbe an eine Arbeit von vor 32 Jahren anzulegen. Der Fakultätsrat befasst sich am 5. Februar wieder mit dem Fall.

In dem Interview sagte die Ministerin: "Die Universität ist in einer schwierigen Situation, und ich bin in einer schwierigen Situation." Es habe keinen Sinn, der Frage nachzugehen, ob alles gerecht sei. Dann gewöhne man sich Nüchternheit und Sachlichkeit an. Während des Verfahrens werde sie sich öffentlich mit Stellungnahmen zurückhalten. Die Dauer des Verfahrens ist unklar – eine Frist gibt es nicht. Inzwischen drehe sich die Debatte um die Grundsatzfrage, ab wann man in der Wissenschaft von einem Plagiat spricht, sagte Schavan. "Wenn daraus ein gemeinsames Verständnis und ein Kodex zum wissensgerechten Umgang mit Plagiatsvorwürfen entstünde, dann wäre das ein gutes Ergebnis."

Michael Kretschmer, im Vorstand der Unionsbundestagsfraktion für Bildung zuständig, verteidigte in der "Leipziger Volkszeitung" Schavans Verhalten im Plagiatsfall des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Schavan hatte erklärt, sie schäme sich für den Kabinettskollegen, und das nicht nur heimlich. Kretschmer sagte dazu: "Guttenberg hat den Titel in einer fairen Überprüfung mit unabhängigen Gutachtern verloren. Im Fall Schavan ist die Sache komplizierter." Die Bildungsministerin sei so lange unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen sei.

(brö/semi)
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