Berlin Experten: NRW baut Schulden zu langsam ab
Berlin · Industrienahes Institut der deutschen Wirtschaft sieht Nordrhein-Westfalen nicht für Schuldenbremse 2020 gewappnet.
Trotz erheblicher Sparanstrengungen im laufenden Jahr steht die Haushaltspolitik Nordrhein-Westfalens weiter in der Kritik: Das größte Bundesland gehe den Schuldenabbau ebenso wie Baden-Württemberg nicht entschlossen genug an, kritisiert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinem gestern veröffentlichten "Konsolidierungs-Check" der Länderhaushalte. Bis auf die beiden von SPD und Grünen regierten Bundesländer machten alle übrigen Länder Fortschritte auf dem Weg zur Einhaltung der Schuldenbremse, heißt es in der Studie, die von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und damit von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie bezahlt wurde.
Die Länder müssen nach der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ab 2020 strukturell ausgeglichene Haushalte vorlegen und dürfen ab 2020 praktisch keine neuen Schulden mehr machen. Über Fortschritte beim Schuldenabbau berät heute auch der Bund-Länder-Stabilitätsrat unter Leitung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Noch sind viele Länder zwar weit davon entfernt, ihre jährlichen Ausgaben allein aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren. Sie müssen sich jedes Jahr am Kapitalmarkt zusätzlich verschulden. Doch viele der bisherigen Schuldensünder – wie etwa die Hauptstadt Berlin – haben eine Kehrtwende eingeleitet: Sie werden ausgeglichene Haushalte schon deutlich früher als 2020 erreichen. Nur in NRW und Baden-Württemberg hält das Kölner IW die bisherigen Sparbemühungen für weiterhin nicht ausreichend oder präzise genug.
"Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass die Konsolidierungsstrategie teilweise wenig konkret ausfällt", heißt es in der Studie. In der NRW-Finanzplanung würden nicht weiter konkretisierte Sparbeträge – sogenannte globale Minderausgaben – in den kommenden Jahren über eine Milliarde Euro und damit ein Drittel des gesamten strukturellen Defizits ausmachen. NRW könne zwar mit steigenden Steuereinnahmen rechnen, doch müsse der Großteil davon für die ebenfalls steigenden Personalausgaben verbucht werden. Solange der Defizitabbau nicht auf konkreteren Sparmaßnahmen beruhe, sei er mit hohen Risiken behaftet, moniert das IW. Diese Strategie sei "höchst bedenklich".
Nordrhein-Westfalens Finanzministerium wies diesen Vorwurf zurück. Noch im März habe dasselbe Institut dem Land bescheinigt, auf gutem Weg zu sein, die Schuldenbremse 2020 einhalten zu können, sagte eine Sprecherin. Seitdem habe sich die Neuverschuldung nicht verschlechtert, sondern drastisch verbessert: Der Haushalt für 2014 sehe eine Senkung der Neuverschuldung um eine auf 2,4 Milliarden Euro vor.
Gemessen an der Pro-Kopf-Verschuldung liege NRW damit im Mittelfeld der Länder. Sachsen dagegen, das vom IW als vorbildlich eingestuft werde, erhalte ein Drittel seiner Einnahmen aus Zuweisungen des Bundes und anderer Länder. NRW zahle unterm Strich rund zwei Milliarden Euro an andere Länder.
Unter den westdeutschen Flächenländern schafft es laut IW allein Bayern, den Haushalt 2014 mit einem Überschuss abzuschließen. Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz könnten Erfolge beim Abbau der Neuverschuldung verbuchen. Der Beweis ausreichend solider Finanzpläne stehe aber noch aus. Hamburg mache beim Defizitabbau Fortschritte und werde voraussichtlich 2016 einen ausgeglichenen Etat vorlegen. Berlin gelinge ab 2014 ein ausgeglichener Haushalt, Sachsen-Anhalt ein struktureller Überschuss. Auch die Finanzplanung Schleswig-Holsteins erfülle die Vorgaben der Schuldenbremse.
Einen schweren Weg hätten Bremen und das Saarland vor sich. Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg schlössen bereits ihre Etats ausgeglichen oder mit Überschüssen ab.