Experte rät von Zivilklage ab

Vor zehn Jahren hat der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Christof Wellens die Angehörigen des Concorde-Absturzes vertreten. Ihm gelang es in einer außergerichtlichen Einigung, für jeden der Hinterbliebenen einen Betrag in Millionenhöhe zu erstreiten. Diese Beträge, betont der Jurist, seien für die Angehörigen und Überlebenden der Duisburger Loveparade-Katastrophe nicht zu erzielen. "Im Fall der Concorde konnten wir auf der Grundlage des amerikanischen Rechts verhandeln, da die Maschine nach New York unterwegs war", sagt Wellens. Für die Opfer von Duisburg gelte jedoch allein deutsches Recht, das die Opfer sehr viel schlechter stelle als in den USA. Hierzulande seien oft nur die Beerdigungskosten einklagbar.

Die Schmerzensgeldansprüche der Überlebenden würden jeweils individuell berechnet. Falls keine Dauerschäden blieben, lägen sie jedoch selbst bei einem längeren Krankenhausaufenthalt selten höher als bei 10 000 Euro. Inzwischen hat das Land NRW eine Soforthilfe in Höhe von einer Million Euro zur Verfügung gestellt. Außerdem hat Veranstalter Rainer Schaller eine Million bereitgestellt. Diese Summe dient jedoch nur zum Ausgleich von Kosten, die Betroffenen entstanden sind. Die Opfer können auch auf Unterstützung eines Ombudsmannes hoffen. Dafür hat sich der frühere Staatssekretär im NRW-Innenministerium, Wolfgang Riotte, zur Verfügung gestellt. "Ich kann weiterhelfen, wenn es etwa aktuelle Probleme mit Versicherungen gibt oder jemand in Fällen seelischer Belastung Hilfe sucht", sagt Riotte. Er sei jedoch nicht die erste Anlaufstelle und könne auch keine Rechtsberatung leisten.

Beim Gang zum Anwalt sei Vorsicht geboten, sagt Opferjurist Thomas Kämmer. Wegen der langwierigen Verfahren und der niedrigen gerichtlich zu erstreitenden Schmerzensgeldsummen sei eine Zivilklage nicht zu empfehlen. Zudem sollten Betroffene darauf achten, dass sie bei Zuziehung eines Anwalts die Vertretung zunächst auf das Außergerichtliche beschränken und ein Pauschalhonorar vereinbaren. Auch sollten sie sich nicht auf eine Vergütung einlassen, die abhängig ist vom Forderungsbetrag. Kämmer empfiehlt Betroffenen, sich zusammenzuschließen und eine zeitnahe außergerichtliche Einigung anzustreben. Auf jeden Fall sollten Hinterbliebene und Überlebende der Katastrophe einen Psychologen kontaktieren, der eine posttraumatische Reaktion bescheinigen kann. Im außergerichtlichen Vergleich dagegen sei zum Beispiel ein sogenanntes Schockschadensgeld in Höhe von etwa 15 000 Euro pro nahem Angehörigen aushandelbar.

Kämmer macht darauf aufmerksam, dass Hinterbliebenen auch ein vererbtes Schmerzensgeld zustehe. Diesen Anspruch habe der Verstorbene durch sein Leid vor dem Tod erworben.

Kontaktnummer Ombudsmann Wolfgang Riotte: 0211 837 1848.

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