EVP-Fraktionsvorsitzender Weber "Macron muss Frankreichs Fesseln sprengen"

Düsseldorf · Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europa-Parlament fordert von Paris Reformen zuerst im eigenen Land. Im Interview erklärt Manfred Weber, warum Frankreich aus seiner Sicht keine Sonderbehandlung von der EU bekommen darf.

 EVP-Fraktionschef Manfred Weber.

EVP-Fraktionschef Manfred Weber.

Foto: dpa

Macron ist ungeheuer beliebt in Deutschland, dabei fordert er auch Dinge, die hierzulande nicht so populär sind: ein Eurozonen-Etat, ein gemeinsamer Finanzminister...

Weber Ein Schritt nach dem anderen! Der neue Präsident Macron kann erst Reformschritte in Europa fordern, wenn er bewiesen hat, dass sein eigenes Land reformfähig ist. Die heutige Wirtschaftssituation in der EU ist ja in Wirklichkeit alles andere als schwach. Die einstigen Schuldenstaaten wie Spanien, Portugal und Irland sind heute Wachstumslokomotiven, gerade weil sie ihre Hausaufgaben gemacht haben und nicht zuerst gefragt haben, was die anderen für sie tun können. Deshalb bleibe ich dabei: Bevor wir jetzt in Europa überlegen, was wir tun können, muss Macron zuerst in seinem Land die Fesseln sprengen. Dann wird Frankreich wieder aufholen, da bin ich mir ganz sicher.

Muss man der neuen Regierung in Paris nicht entgegenkommen?

Weber Natürlich wollen wir die ausgestreckte Hand von Macron ergreifen, natürlich können wir über vieles reden. Aber es kommt nicht infrage, dass wir für Frankreich eine Sonderbehandlung durchwinken, nur weil es ein großes und wichtiges Land ist. Das käme übrigens auch bei Spaniern oder Portugiesen überhaupt nicht gut an, die ja in den vergangenen Jahren viele Opfer bringen mussten. Die Spielregeln müssen klar sein.

Was ist denn Macrons wichtigste Reformaufgabe?

Weber Vor allem Haushaltsdisziplin, Arbeitsmarktreformen und eine Senkung der viel zu hohen Staatsquote, die heute in Frankreich bei über 56 Prozent liegt. Politisch ist am wichtigsten, dass er sein Land aus dem starren Links-Rechts-Schema befreit, das die Zusammenarbeit der politischen Kräfte verhindert. Macron will ja genau das tun, und das ist eine große Chance für Frankreich - allerdings wohl auch die letzte Chance nach zwei vergeudeten Präsidentschaften und annähernd zehn verlorenen Jahren.

Haben die Personen an der Spitze der EU zu wenig Ausstrahlungskraft?

Weber Ich finde, dass alle Spitzenleute in Europa stark in ihre Heimatländer ausstrahlen. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erzielt in Italien große Wirkung ...

... während die Polen ihren Landsmann Donald Tusk als EU-Präsident am liebsten abgelöst hätten.

Weber Auch das zeigt den Einfluss von EU-Ratspräsident Tusk im eigenen Land. Offenbar fürchten ihn die herrschenden Nationalkonservativen in Polen. Und das ist gut.

L'équipe de Macron
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Brauchen wir mehr Demokratie in Europa?

Weber: Das Europäische Parlament hat kaum mehr ein Demokratiedefizit mehr. Hier wird am Ende fast alles bestimmt.

Der EU-Ratspräsident wird aber in Hinterzimmern ausgekungelt.

Weber Ich bin langfristig dafür, die Wahl eines EU-Präsidenten der europäischen Bevölkerung in einer Direktwahl zu überlassen. Das wäre ein Schritt hin zu mehr Demokratie und Transparenz. Die Bürger würden sich dann besser vertreten fühlen. Bislang haben wir nur zwei Kammern - das Parlament in Direktwahl und den Europäischen Rat.

Matthias Beermann, Martin Kessler und Stefan Weigel führten das Gespräch.

(bee / kes / sw)
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