Berlin Europa schottet sich ab

Berlin · Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff fordert "nationale Handlungsoptionen", wenn es Anfang März nicht gelingt, die EU-Außengrenzen dicht zu machen. Einen Plan dafür gibt es schon.

In der Flüchtlingskrise ist eine Art Countdown angebrochen. Europa gibt sich noch bis zum Gipfel am 7. März Zeit, um die Flüchtlingskrise in der bisherigen Form zu managen. Sollte es nicht gelingen, mit diesem Datum die europäischen Grenzen gegen den unkoordinierten Zustrom von Flüchtlingen weitgehend abzuriegeln, könnte es zu einer Wende in der Flüchtlingspolitik kommen.

Für den 7. März ist ein EU-Sondergipfel in Brüssel geplant, zu dem auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu kommt. Ziel der EU-Kommission und der Bundesregierung ist es, mit der Türkei ein Übereinkommen zu treffen, dass diese die Flüchtlinge an der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland hindert. Im Gegenzug soll die EU geordnet Flüchtlingskontingente abnehmen. Doch dazu sind in Europa kaum noch Länder bereit.

Was die CSU schon seit Monaten fordert, findet in der CDU inzwischen zum Teil offen Anklang. Wenn es nicht gelingt, die EU-Außengrenzen wirksam zu schützen, "müssen wir zu nationalen Handlungsoptionen übergehen", sagte gestern Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Tags zuvor hatte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) angedeutet, dass die Kontrolle der europäischen Binnengrenzen verstärkt werden könnte. Die Deutschen lehnen aber weiterhin nationale Alleingänge ab, die bislang darauf hinaus liefen, dass die anderen EU-Staaten die Flüchtlinge nach Deutschland durchwinkten oder eben jene dramatische Lage schaffen, wie sie sich jetzt in Griechenland zeigt. An den deutschen Außengrenzen kommen derzeit kaum noch Flüchtlinge an. Das liegt daran, dass sich die Balkanstaaten darauf geeinigt haben, pro Tag künftig nur noch 580 Flüchtlinge über ihre Grenzen zu lassen. Allerdings beobachten internationale Organisationen bereits, wie sich neue Routen bilden.

In Deutschland ist immer wieder eine kontroverse Debatte darüber geführt worden, ob sich die Republik überhaupt abschotten könnte, wenn sie denn wollte. Ein Notfallplan für eine solche Situation existiert nach Informationen unserer Zeitung schon seit dem vergangenen Herbst. Seitdem liege dem Bundesinnenminister und der Kanzlerin ein 21 Seiten langes Konzeptpapier des Polizeipräsidenten der Bundespolizei vor, heißt es in Polizeikreisen. Darin skizziere der Polizeipräsident, wie die deutsch-österreichische Grenze abgeriegelt und gesichert werden könne. Das Papier sehe unter anderem vor, alle Grenzübergänge zu schließen, verstärkt Streifen an der grünen Grenze einzusetzen, eine grenznahe Schleierfahndung im Radius von 25 Kilometern einzuleiten und in Grenznähe Sonderfahrzeuge wie Wasserwerfer bereitzuhalten. Derzeit gebe es keine konkreten Planungen für eine Mobilisierung der Bundespolizei an der deutsch-österreichischen Grenze, hieß es in Polizeikreisen. "Man richtet sich jedoch innerlich darauf ein, dass da bald etwas aus Berlin kommen könnte."

Die Polizei wäre also in der Lage die Grenzen weitgehend zu sichern - allerdings nur für einen sehr begrenzten Zeitraum. "Die Bundespolizei alleine könnte die 800 Kilometer lange deutsch-österreichische Grenze höchstens drei Wochen lang sichern", sagte Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unserer Redaktion. Für einen längeren Einsatz fehle das Personal. "Die Mobilisierung der Bundespolizei wäre innerhalb weniger Tage möglich. Dann hätten wir aber zu wenige Bundespolizisten für die Sicherheit im Inland, etwa an Bahnhöfen."

(RP)
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