Brüssel Europa ermahnt die Türkei, aber nur intern

Brüssel · Die Nato gibt Ankara offiziell Rückendeckung. Das Bündnis kritisiert den parallelen Einsatz gegen die kurdische PKK nicht.

Gut eine Woche nach dem Anschlag im Grenzgebiet der Türkei zu Syrien mit 32 Toten hat sich die Nato hinter ihr südöstliches Mitgliedsland gestellt. "Der Terrorismus stellt eine direkte Bedrohung der Nato-Staaten dar", heißt es in einer Erklärung, die nach einem Krisentreffen veröffentlicht wurde: "Die Sicherheit der Allianz ist unteilbar, und wir stehen in starker Solidarität an der Seite der Türkei."

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg berichtete nach der knapp 90-minütigen Sitzung, Ankara habe "keine zusätzliche militärische Präsenz des Bündnisses" erbeten. Nachdem die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Zuge des syrischen Bürgerkriegs bereits 2012 zwei Krisensitzungen im Brüsseler Nato-Hauptquartier beantragt hatte, sind Anfang 2013 auch deutsche "Patriot"-Raketenabwehrsysteme in die Türkei verlegt worden. Eine Ausweitung dieses Einsatzes oder eine anderweitige Zusatzoperation habe in den Beratungen keinerlei Rolle gespielt, bestätigte ein Sitzungsteilnehmer unserer Zeitung: "Es ging der Türkei vor allem um politische Rückendeckung."

Die freilich ist hochumstritten, weil Erdogans Regierung seit Freitag nicht nur Luftangriffe gegen Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) fliegen lässt, die für den Anschlag verantwortlich gemacht wird, sondern auch gegen die Kämpfer der kurdischen PKK. Beide Seiten haben inzwischen die Waffenruhe für beendet erklärt und den noch jungen Friedensprozess auf Eis gelegt - was die Sorge vor einer weiteren Eskalation in der Konfliktregion hat wachsen lassen. In der offiziellen Nato-Erklärung findet sich jedoch nichts dazu. Diese habe sich, so der Sitzungsbeobachter, "vor allem auf das unstrittige Thema kapriziert, dass der Terror eine Bedrohung ist".

Lediglich intern mahnten die Vertreter Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens mehr Verhältnismäßigkeit an, wie ein Nato-Diplomat nach dem Treffen berichtete. Während die USA betonten, dass sie die kurdische PKK noch immer als Terrororganisation gelistet hätten, "haben die Europäer der stellvertretenden türkischen Nato-Botschafterin klargemacht, dass ihr Land den IS und die PKK nicht in denselben Topf werfen darf", so der Diplomat. Der Friedensprozess müsse weitergehen.

Die türkische Botschafterin versuchte demnach in der Sitzung ihre Sichtweise zu vermitteln, wonach es durchaus friedliebende Kurden gebe, die seit den jüngsten Wahlen auch im Parlament vertreten sind, aber eben auch gewaltbereite Extremisten, die zu bekämpfen ihr Land das Recht habe. So habe die PKK mehr als 1000-mal gegen die 2013 vereinbarte Waffenruhe verstoßen.

(RP)
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