Gastbeitrag von Achim Wambach Groko - der große Kommissions-Einrichter

Der Chef des Forschungsinstitutes ZEW, Achim Wambach, kritisiert die geplante Erhöhung der deutschen Beiträge für den EU-Haushalt und die Schwerpunkte des Koalitionsvertrages. "Antworten auf wichtige Fragen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands wurden vertagt", schreibt Wambach in einem Gastbeitrag.

 Die EU-Kommission in Brüssel (Archiv).

Die EU-Kommission in Brüssel (Archiv).

Foto: Thierry Monasse/dpa

Die Parteien haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Antworten auf wichtige Fragen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands wurden dabei vertagt. Die langfristige Entwicklung Deutschlands wird wesentlich durch den demografischen Wandel sowie den durch Energiewende und Digitalisierung verursachten Strukturwandel geprägt werden. Die Groko hat dazu Kommissionen eingerichtet. Das ist gut so. So wird es Aufgabe der Kommission "Verlässlicher Generationenvertrag" sein, die richtigen Wege zu finden, um das Rentensystem demografiefest zu machen und die Rentenbeiträge sowie das Rentenniveau auch nach 2025 zu stabilisieren. Im Gesundheitswesen soll eine wissenschaftliche Kommission Vorschläge erarbeiten, um die Vergütungen der Ärzte den Versorgungsbedürfnissen der Patienten und dem Stand des medizinischen Fortschritts anzupassen.

Gleich zwei Kommissionen sind geplant, um sich mit Auswirkungen der Digitalisierung zu beschäftigen. Die Kommission "Wettbewerbsrecht 4.0" soll das Wettbewerbsrecht für die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaftswelt fit machen, während eine Daten-Ethikkommission Empfehlungen für den Umgang mit Algorithmen, künstlicher Intelligenz und digitalen Innovationen erarbeiten soll.

 Der Autor: Der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach (Archiv).

Der Autor: Der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach (Archiv).

Foto: Uwe Anspach/dpa

Eine aktuelle Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie zeigt eindrücklich, dass die Herausforderungen zur Umsetzung der Energiewende gewaltig sein werden. Nachdem die Koalitionsparteien die Klimaziele 2020 aufgegeben haben, sollen nun die Ziele für 2030 eingehalten werden. Die Maßnahmen dafür sowie einen Plan zum Kohle-Ausstieg soll die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" erarbeiten. Dazu kommen die Enquête-Kommission "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik", die Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse", eine Bundestagskommission zu "Fluchtursachen" und weitere Kommissionen etwa zur beruflichen Bildung oder Mobilität. Der Groko - der Große Kommissioneneinrichter - hat geliefert. Dies zeigt dreierlei. Erstens: Die langfristigen gesellschaftlichen Herausforderungen haben die beteiligten Parteien auf dem Radar. Zweitens: Bei den grundsätzlichen Zielen besteht häufig Einigkeit. Drittens: Die komplexen Umsetzungsfragen wurden in Expertenkommissionen verlagert.

Dafür gibt es gute Gründe: Die Komplexität der Materien sowie die Interdependenz der Systeme zu verstehen und Maßnahmen auf ihre Wirkungen hin zu analysieren, kann nicht von übernächtigten Koalitionsverhandlern geleistet werden. Die Verlagerung der Diskussion über zukunftsrelevante Themen in Kommissionen unter Beteiligung der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Experten statt einer vorschnellen Zementierung der Maßnahmen im Koalitionsvertrag ist daher zielführend.

Umso mehr fällt allerdings auf, wo die Einrichtung einer Kommission im Koalitionsvertrag fehlt. Bei den Plänen zur Weiterentwicklung der Europäischen Union wäre eine weitere Kommission allemal besser gewesen, als die Ankündigung einer offensichtlich bedingungslosen Erhöhung der deutschen Beiträge zum EU-Haushalt.

(RP)
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