Bundesfinanzminister Schäuble will Kompetenzen der EU-Kommission beschneiden

Berlin/Brüssel · Jean-Claude Junckers Agieren in der Griechenland-Krise ist Wolfgang Schäuble schon länger ein Dorn im Auge. Unabhängig davon regt der Finanzminister an, die Zuständigkeiten der Brüsseler Kommission neu zu regeln. Um eine Entmachtung gehe es nicht - heißt es in Berlin.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Kompetenzen der EU-Kommission beschneiden. Er reagiert damit auch auf die anhaltenden Streitereien zwischen Euro-Ländern und Kommission bei der Lösung der Griechenland-Krise. Ein Sprecher des Finanzministeriums betonte am Donnerstag in Berlin, es gehe um keine Entmachtung oder Schwächung der EU-Kommission, sondern um die Klärung von Zuständigkeiten: "Insgesamt ist hierbei wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt."

Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) will Schäuble erreichen, dass die ursprüngliche Funktion der Brüsseler Behörde als "Hüterin der EU-Verträge" institutionell getrennt wird von ihren immer stärker werdenden politischen Aktivitäten. Die Rechtsaufsicht über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsregeln sollten daher der Kommission entzogen werden. Diese Funktionen sollten in politisch unabhängige Institutionen nach dem Vorbild des Bundeskartellamts ausgegliedert werden.

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Foto: afp, ed/RBZ

Änderung der EU-Verträge wäre nötig

Eine Neu-Verteilung von Kompetenzen ist nur mit einer Änderung der EU-Verträge machbar - und wäre daher ein eher langfristig angelegtes Reformprojekt. Hintergrund ist auch der sogenannte Fünf-Präsidenten-Bericht von EU-Kommission, EU-Rat, Eurogruppe, EZB und EU-Parlament mit Vorschlägen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion - mit einem Zeithorizont bis 2025. Dabei geht es um Mittelfrist-Reformen ohne Vertragsänderungen sowie langfristige Maßnahmen, die Änderungen der EU-Verträge erfordern. Schäuble will dabei auch über die Rolle der Institutionen sprechen.

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Auf dem Treffen der EU-Finanzminister Mitte Juli hat Schäuble nach Angaben der "FAZ" eine schnelle Diskussion der EU-Staaten darüber angemahnt, wie die Kommission ihre ursprüngliche Kernaufgabe - die Durchsetzung des europäischen Rechts etwa als Wettbewerbshüterin und in der Aufsicht über die Binnenmarktregeln - noch erfüllen könne. Der niederländische Finanzminister und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem wolle das Thema zu einem Schwerpunkt des niederländischen EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2016 machen.

"Sehr deutsche Sicht der Dinge"

In der Griechenland-Krise will Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach Darstellung der Zeitung die EU-Kommission nicht einfach als Teil der Geldgeber-Institutionen verstehen, die vereinbarte Reformen überprüfe und Details des Hilfsprogramms mit der Athener Regierung aushandele. Juncker habe auch direkt mit Ministerpräsident Alexis Tsipras verhandelt und so dessen Forderungen bestärkt, es müsse auf höchster Ebene eine politische Lösung gefunden werden. Schäuble habe klargestellt, dass die Kommission nicht verhandlungsbefugt sei, sondern die Eurogruppe als Vertreterin der europäischen Kreditgeber.

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In Junckers Umgebung heißt es nach Angaben des Blattes, Schäubles Initiative spiegele eine sehr deutsche Sicht der Dinge wider. Die Kommission habe als Hüterin der Verträge nicht nur die Aufgabe, den Binnenmarkt und die Wettbewerbsregeln durchzusetzen, sondern auch das Mandat, das gemeinsame europäische Interesse zu fördern.

Kein Dementi von der Bundesregierung

Die EU-Kommission will sich zu deutschen Vorschlägen für eine Beschneidung ihrer Kompetenzen nicht äußern. "Die Europäische Kommission kommentiert nicht Gerüchte, die in Zeitungen zirkulieren", sagte Sprecherin Mina Andreeva am Donnerstag in Brüssel. Man habe keine Kenntnis von "offiziellen Vorschlägen" der deutschen Regierung.

Das Bundesfinanzministerium dementierte den Vorschlag nicht. Es sei wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahre, hieß es in einer Stellungnahme.

(dpa)
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