EU-Kommission Schäuble geht mit Juncker hart ins Gericht

Berlin · Wolfgang Schäuble sorgt mit neuen Überlegungen über die Beschneidung der Kompetenzen der EU-Kommission für Unruhe in der Koalition und in Brüssel. Die EU-Kommission könne nicht die Einhaltung der Verträge überwachen und zugleich selbst Politik machen, sagt der Finanzminister.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Schäuble hatte in der Sitzung der Euro-Finanzminister am 14. Juli eine schnelle Diskussion darüber angemahnt, ob die Kommission ihre Kernaufgabe - die Durchsetzung gemeinsamer Binnenmarkt- oder Wettbewerbsregeln - noch verfolgen könne, wenn sie gleichzeitig immer mehr politischen Einfluss nehme. Der Minister habe bei dem Treffen die "Rolle der Institutionen angesprochen", bestätigte ein Ministeriumssprecher einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Schäuble sei wichtig, "dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt".

Für die Brüsseler Kommission unter Leitung ihres politisch ehrgeizigen Chefs Jean-Claude Juncker war das eine Kampfansage: Juncker ringt bereits seit seinem Amtsantritt im Herbst erkennbar um mehr Einfluss für die Kommission gegenüber den Regierungen der EU-Staaten und dem Ministerrat. Schäubles Überlegungen tat er prompt als "typisch deutsche Ideen" ab. In Europa und selbst in der Berliner Koalition hat Juncker viele Verbündete: Die SPD hält nichts von Schäubles Überlegungen, will alles beim Alten lassen - und fordert die Bundeskanzlerin auf, ihren als Nebenkanzler auftrumpfenden Finanzminister in die Schranken zu weisen.

Das sind die Mitglieder der EU-Kommission 2014 - 2019
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Foto: afp, ed/RBZ

Junckers Gebaren in der Griechenland-Krise stieß Schäuble übel auf. Der Kommissionspräsident verhandelte selbst mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, obwohl er dafür aus Schäubles Sicht kein Mandat hatte. Juncker trug so dazu bei, dass Tsipras lange Zeit an eine großzügige "politische Lösung" glaubte und immer wieder Forderungen nach einem Schuldenschnitt erhob, den Schäuble strikt ablehnt. Auch als Junckers Stabschef griechische Reformvorschläge lobte, schimpfte Schäuble über Äußerungen "unautorisierter Personen": Die Verhandlungen seien allein Sache der Finanzminister.

Nun stellt er infrage, ob eine derart "politische Kommission", wie sie Juncker verkörpert, noch in der Lage sein kann, Hüterin der EU-Verträge zu sein. So mangelte es Brüssel aus Sicht Schäubles etwa an Konsequenz bei der Haushaltsüberwachung Frankreichs. Dessen Etat wurde durchgewunken, obwohl Frankreich wiederholt die Defizitregeln des Maastricht-Vertrags brach.

Um zu verhindern, dass die Einhaltung der gemeinsamen Regeln aus rein politischen Gründen von Brüssel nicht konsequent genug verfolgt wird, schwebt Schäuble vor, die Überwachung der Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln unabhängigen neuen EU-Institutionen nach dem Vorbild des Bundeskartellamts zu übertragen. Dies ginge an Brüssels Kern, denn die Zuständigkeit genau für diese Bereiche ist es ja gerade, die der Kommission Macht und Einfluss verleihen.

Doch Schäuble ist nicht allein. Die Niederlande mit ihrem Finanzminister, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, erwägen, über Schäubles Vorschläge diskutieren zu lassen, wenn sie im ersten Halbjahr 2016 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Die Reform der EU-Institutionen wird künftig ohnehin Thema werden. Die Grundlage dafür bilden die auf dem Tisch liegenden Vorschläge der Präsidenten der fünf EU-Organe zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Eine Entmachtung der EU-Kommission war allerdings nicht Teil ihrer Vorschläge - wohl aber, einen Euro-Finanzminister mit eigenem Budget zu implementieren. Schäuble hatte diesen Vorschlag ausdrücklich unterstützt, ganz im Gegensatz zur Bundeskanzlerin, die der vertieften Zusammenarbeit der EU-Regierungen stets den Vorzug gibt. Schäuble dagegen wäre durchaus bereit, nationalstaatliche Souveränität an einen gemeinsamen Finanzminister abzugeben. Ein Widerspruch zu seinem neuesten Vorstoß gegen die EU-Kommission ist das nicht, denn der Euro-Finanzminister würde ja nicht gleichzeitig EU-Verträge überwachen müssen.

Schäuble ist allerdings der Meinung, dass zur vertieften Wirtschafts- und Währungsunion nur Staaten Kerneuropas zählen sollten, da schwächere wie Griechenland ihren Anforderungen nicht genügen. 1994 hatte er die Vorstellung eines Europas zweier Geschwindigkeiten erstmals formuliert.

Bis zur Umsetzung von Reformen werden noch Jahre vergehen, denn die Reformen werden ohne die Änderung der EU-Verträge nicht möglich sein. Und viele EU-Länder sind dazu heute noch nicht bereit.

(mar)
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