Wolfgang Schäuble in Indien Deutschland ist mit seiner EZB-Kritik allein

Neu Delhi · Finanzminister Schäuble erfährt in Indien, dass es auch außerhalb der Euro-Zone viel Applaus für die geplanten Staatsanleihekäufe der Notenbank gibt. Nun fügt er sich in das Unvermeidbare.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

"Wir sind absolut begeistert", sagt Bodhisalva Ganguly, leitender Redakteur der größten englischsprachigen Wirtschaftszeitung Indiens. "Was Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, in dieser Woche tun will, ist gut für Indien, gut für Europa, gut für die ganze Welt. Es hätte schon viel früher kommen müssen", ist der rundliche Brillenträger von der Zeitung "The Economic Times" überzeugt.

So viel Vorfreude auf die in dieser Woche bevorstehende Entscheidung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) registriert man in Deutschland selten. Am Donnerstag will der EZB-Rat für den Plan des Italieners Draghi stimmen, im großen Umfang Staatsanleihen der Euro-Staaten zu kaufen. Das Programm, im Fachjargon "Quantitative Easing" (QE) genannt, wird voraussichtlich 500 Milliarden Euro umfassen. Draghi will damit die Deflationsgefahr im Euro-Raum bannen, die Konjunktur ankurbeln und den Euro-Kurs drücken.

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Bundesregierung und Bundesbank sind darüber alles andere erfreut. Sie haben es Draghi in den vergangenen Monaten bei jeder Gelegenheit wissen lassen. Zuletzt hatte Draghi bei einer Stippvisite vergangene Woche in Berlin versucht, die Kanzlerin und den Finanzminister umzustimmen. Sein Köder: Jede nationale Notenbank solle nur die Anleihen des eigenen Landes aufkaufen. So will Draghi verhindern, dass Deutschland in vollem Umfang auch für andere Staaten in die Haftung gehen muss, falls diese insolvent werden. Allerdings soll der Haftungsausschluss nur für die Hälfte der Anleihekäufe gelten, für die andere Hälfte könnte Deutschland weiterhin im Ernstfall gerade stehen müssen.

Draghi hat Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) damit nicht überzeugen können. Sie warnen davor, das QE-Programm entlasse die Regierungen der Euro-Staaten aus dem Reformzwang. Durch den Ankauf der Staatsanleihen drückt die EZB die Zinsen der Euro-Staaten. Nur hohe Zinsen oder die Aussicht auf einen Zinsanstieg sind aber auf Dauer ein wirksames Instrument, um Regierungen - etwa die Frankreichs oder Italiens - wirklich zu schmerzhaften Reformen am Arbeitsmarkt oder im Sozialsystem zu zwingen.

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Foto: dpa, bjw

Doch Deutschland ist mit seiner EZB-Kritik nahezu allein. Auch in Indien, wo Schäuble seit gestern die neue Regierung von Premierminister Narendra Modi besucht, registriert der deutsche Finanzminister, wie der EZB laut applaudiert wird. Das EZB-Programm werde "gut für Indien sein, weil Europa damit für mehr Liquidität sorgt, während die USA ja gerade den Geldhahn zudrehen", sagt Wirtschaftsjournalist Ganguly. Für ein Schwellenland wie Indien sei es wichtig, dass Europa wieder mehr Wirtschaftswachstum erziele, mehr indische Güter nachfrage und weltweit mehr investiere. Die Angst der Deutschen vor der Rückkehr der Inflation sei hysterisch. In Europa werde es auch mit dem EZB-Programm mittelfristig keine "Hyper-Inflation" geben.

Auch der von den USA gesteuerte Internationale Währungsfonds (IWF) ermuntert die EZB zu der riesigen Geldspritze für die Euro-Staaten. Und selbst vormalige Unterstützer Deutschlands wie die Niederlande haben sich auf die Seite Draghis geschlagen.

Schäuble und Merkel haben sich der geldpolitischen Machtpolitik Draghis offenbar gefügt: In einen offenen Streit, so heißt es in Schäubles Umfeld, werde Berlin mit der EZB jedenfalls nicht gehen. Man gibt sich lieber damit zufrieden, dass Draghi seine ursprünglichen Pläne verringert und abgeschwächt hat, um die deutschen Kritiker zu besänftigen. Und schließlich steht Europa mit der Wahl in Griechenland am kommenden Sonntag bereits die nächste Bewährungsprobe bevor.

Auf die Frage, was er dem indischen Premier antworten wird, wenn dieser nach den absehbar turbulenten Ereignissen in Europa frage, wolle er so antworten, sagt Schäuble: "Um Stabilität und Weiterentwicklung der Europäischen Währungsunion brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen." Das klingt fast resigniert.

(mar)
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