Kritische Rede von David Cameron Wo die EU-Verwaltung Geld verschwendet

Brüssel · Die kritische Rede des britischen Premierministers David Cameron hat die Europäische Union durchgerüttet. Verschwendet die EU tatsächlich Geld? Vor allem die üppige Versorgung für die rund 47.000 EU-Beamten sorgt für Unmut und strapaziert den Zusammenhalt.

 David Cameron hat für seine Rede Kritik aber auch Lob geerntet.

David Cameron hat für seine Rede Kritik aber auch Lob geerntet.

Foto: dpa, Laurent Gillieron

David Cameron war sichtlich sauer: "200 EU-Beamte verdienen mehr Geld als ich", wetterte Großbritanniens Premier beim jüngsten Budget-Gipfel in Brüssel. Europas Bürokraten lebten in einem Paralleluniversum voller Privilegien. Und das selbst in Krisenzeiten, wo die EU den Hauptstädten schmerzhafte Sparprogramme verordne. "Damit muss Schluss sein", forderte der Brite. Vergebens.

80 Milliarden Euro

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kürzte den Kommissionsvorschlag zum Brüsseler Budget 2014 bis 2020 weit weniger, als Cameron gewünscht hatte — um rund 80 Milliarden Euro. Zudem traute er sich nicht an die Beamten-Pfründen heran, aus Angst vor der Wut der Besitzstandswahrer im Brüsseler Apparat.

Auch deshalb scheiterte der erste Anlauf zur Einigung über die künftigen EU-Mittel im vergangenen November. Am 7. Februar nun treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zum zweiten Versuch. Es geht um rund eine Billion Euro.

Und es geht um die Frage, wofür Brüssel die Beiträge der Mitgliedstaaten, die den EU-Etat finanzieren, ausgeben soll. Klar ist: Ohne Kürzungen an den Verwaltungsausgaben wird Cameron einem Kompromiss nicht zustimmen. Das hat er in seiner Grundsatzrede deutlich gemacht. Auch Kanzlerin Angela Merkel ist die wuchernde Eurokratie ein Dorn im Auge.

Teure Verwaltung

Rund sechs Prozent aller EU-Ausgaben gehen für die Verwaltung drauf — in der Finanzperiode 2014 bis 2020 sollen es 63 Milliarden Euro werden. Die jährlichen Personalkosten belaufen sich auf mehr als fünf Milliarden Euro. Das mag zwar nominal ein vergleichsweise überschaubarer Posten sein. Er hat aber große Wirkung auf Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der EU beim Bürger.

Denn die üppige Versorgung für die rund 47 000 EU-Beamten in den Institutionen sorgt immer wieder für Ärger und Neid-Debatten. Ihre Grundgehälter liegen zwischen 2600 und gut 18 000 Euro. Rund 15 000 EU-Beschäftigte verdienen bis zu 5000 Euro netto im Monat, 21 000 bis zu 10 000 Euro, 11 000 liegen darüber. Dies ist möglich, weil die EU-Beamten einen ermäßigten Steuersatz zahlen, der rund ein Drittel weniger Abzüge als in Deutschland bedeutet. Zudem gibt es üppige steuerfreie Zulagen — etwa einen 16-Prozent-Bonus für das Leben im Ausland.

Ein automatischer Anpassungsmechanismus garantiert zudem jährliche Lohnsteigerungen. Derzeit erstreiten die Beamten sie vor Gericht, weil die EU-Hauptstädte unter dem Druck der Krise die Brüsseler Beamten zwingen wollten, den Gürtel enger zu schnallen. Das Renteneintrittsalter lag bisher bei 63 und wird nun bis 2036 auf 65 Jahre angehoben. Langjährige Beamte der Spitzen-Gehaltsklassen bekommen eine Altersrente von mehr als 10.000 Euro im Monat.

System von Begünstigten für Begünstigte

"Der europäische öffentliche Dienst ist ein System von Begünstigten für Begünstigte", sagt Inge Grässle (CDU), Haushaltskontrolleurin im Europaparlament. Der "europäische Geist" und die "Akzeptanz der EU" würden durch "absurde Privilegien" beschädigt. So stehen EU-Beamten für eine Reise in ihr Heimatland bisher bis zu sechs Tage Sonderurlaub (künftig drei) und eine pauschale Kostenerstattung für die ganze Familie zu — auch wenn sie die Reise gar nicht antreten.

Die Folge: mehr als 100 000 Urlaubstage und Kosten von rund 45 Millionen Euro. Für runde Dienstjubiläen ab 20 Jahre gibt es fünf Tage Sonderurlaub — was 2011 Kosten von drei Millionen Euro verursachte.

Zum Jahresurlaub zwischen 24 bis 30 Tagen je nach Alter kommen bezahlte "Büroschließungstage" — etwa Gründonnerstag oder die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Das brachte den EU-Beamten 2012 satte 18 zusätzliche freie Tage. Durch ein System der gleitenden Arbeitszeit können sie sich weiteren Extra- Urlaub verdienen. "So kommen bis zu 63 freie Tage pro Jahr zusammen. Und jeder bezahlte freie Tag für alle EU-Beschäftigten kostet rund 20 Millionen Euro", sagt Haushaltskontrolleurin Grässle. "Eine tiefgreifende Reform ist überfällig, wird aber bisher von einer Koalition der Besitzstandswahrer abgeblockt", sagt die CDU-Europa-Abgeordnete.

Stimmung dreht sich

Doch die Stimmung dreht sich. Denn in den Krisenstaaten rutschen immer mehr Menschen in die Armut ab, die reicheren Geberländer ächzen unter den Lasten der Euro-Rettung und wollen ihren Steuerzahlern keine weiteren Opfer zumuten. Schon gar nicht in einem Wahljahr.

So dürften die Beamten-Privilegien beim Gipfel Anfang Februar heftig unter Beschuss kommen — und sei es nur, um Cameron von seinen Veto-Drohungen abzubringen. Ein symbolischer Sieg. Denn die von Cameron geforderte Modernisierung der Ausgaben weg von Subventionen für Kühe und Radwege in der Pampa hin zu Investitionen in kluge Köpfe ist nicht in Sicht.

Ein teures Ärgernis könnten die EU-Chefs übrigens selbst sehr schnell beenden: die Pendelei des Europaparlaments zwischen Straßburg und Brüssel. Die Reisekosten belaufen sich internen Dokumenten zufolge auf knapp 44 Millionen Euro im Jahr. Der Transport der Akten verschlingt zusätzlich 276 000 Euro. Die Instandhaltungskosten für das Straßburger Gebäude summieren sich auf 16 Millionen. Und warum? Paris setzte im Kampf um die Standorte der EU-Institutionen durch, dass zwölf Sitzungen des EU-Parlaments in der Elsass-Metropole stattfinden müssen.

Die "Chefs" verankerten dies in den EU-Verträgen. Nur sie können es einstimmig wieder ändern. Doch Frankreich blockiert, will Prestige und Profit durch das Parlament nicht verlieren — Kosten hin oder her. Insofern hat David Cameron nicht ganz unrecht, wenn er die Reformunfähigkeit der EU beklagt.

(RP/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort