Kampf gegen Schlepper Flüchtlingstragödie erschüttert Westbalkan-Konferenz

Wien · Unter dem Eindruck einer neuen Flüchtlingstragödie in Österreich drängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Westbalkan-Konferenz in Wien mehr denn je auf eine faire Quote zur Aufnahme von schutzsuchenden Menschen in der EU.

 Der serbische Premier Aleksandar Vucic (links n. rechts), Bundeskanzlerin Angela Merkel, der österreichische Kanzler Werner Faymann und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Der serbische Premier Aleksandar Vucic (links n. rechts), Bundeskanzlerin Angela Merkel, der österreichische Kanzler Werner Faymann und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Foto: dpa, hog ase

Auch eine Übereinkunft zur Einstufung der Länder des Westbalkans als sichere Herkunftsländer müsse zügig erfolgen, sagte Merkel am Donnerstag.

"Sie brauchen an unserer Entschlossenheit nicht zu zweifeln", betonte die Kanzlerin. Deutschland werde eine entsprechende Offensive der EU-Kommission unterstützen. Kurz zuvor waren in einem Lastwagen auf einer österreichischen Autobahn Dutzende Leichen von Flüchtlingen entdeckt worden. Die Polizei sprach von 20 bis 50 Opfern. "Wir sind alle erschüttert von der entsetzlichen Nachricht", sagte Merkel in einer ersten Reaktion. "Das waren Menschen, die auf dem Weg waren, um mehr Sicherheit und Schutz zu suchen und dabei einen so tragischen Tod erleiden mussten."

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) rief zu einem verstärkten Kampf gegen Schlepper auf: "Wir haben gemeinsam die Pflicht, etwa jene, die an diesem Leid auch noch verdienen, in die Schranken zu weisen", sagte er mit Blick auf die vielen Flüchtlinge, die auf der Balkanroute nach Nord- und Westeuropa sterben. Auch in dieser Frage sei ein gemeinsames Vorgehen der EU nötig. "Jeder ganz allein, erst recht gegen den Anderen, werden wir diese Herausforderung nicht lösen können", betonte Faymann in seiner Eröffnungsrede. Eine gemeinsame EU-Strategie könne die einzige Antwort sein.

Die "Balkan-Route" führt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. Ungarn ist für Flüchtlinge ein Transitland, kein Zielland. Die Zahl der Flüchtlinge ist hier nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 600 Prozent gestiegen. Der Zuwachs bei den Menschen, die über das Mittelmeer gekommen seien, liege dagegen nur bei fünf bis zehn Prozent, sagte de Maizière am Donnerstag in Nürnberg. "Das war nicht vorhersehbar."

Steinmeier glaubt nicht an Nutzen von Grenzzäunen

Bei dem Treffen in Wien herrschte Einigkeit, dass Maßnahmen wie der Bau des Grenzzauns in Ungarn nicht wirklich helfen. "Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen. Wir glauben auch nicht, dass Grenzzäune am Ende das Thema Migration lösen werden", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Wien.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, es sei beschämend, dass Griechenland als EU-Land die Flüchtlinge einfach ins benachbarte Nicht-EU-Land Mazedonien durchwinke. Die EU müsse über ganz neue Wege im Asylverfahren nachdenken. Dazu könne auch die Möglichkeit gehören, bereits im Heimatland der Flüchtlinge eine Asylprüfung vorzunehmen.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nannte den Schutz der immer größeren Zahl von Flüchtlingen in Europa eine "moralische und rechtliche Pflicht". Die Europäische Union arbeite an neuen Vorschlägen für eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, sagte sie nach der Wiener Konferenz. Dazu gehöre eine gemeinsame Liste von sicheren Herkunftsländern. "Es gibt keine Zauberlösung", sagte Mogherini. Aber der Weg für eine Verbesserung der Situation sei bekannt.

Balkanstaaten sehen EU als Wertesystem

Vom Balkan nahmen die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro, Kroatien und Serbien an der Konferenz teil. Die Westbalkan-Konferenz soll den Prozess der Annäherung der Nachfolgestaaten Jugoslawiens an die EU fördern. So wurde am Donnerstag ein 600 Millionen Euro schweres Energie-, Straßen- und Bahnpaket für die Staaten der Balkanregion beschlossen.

Damit werden zehn verschiedene Projekte angestoßen, unter anderem geht es um eine Autobahn vom serbischen Nis über die kosovarische Hauptstadt Prishtina bis zur albanischen Küstenstadt Durres. "Wir sehen die EU nicht als Geldmaschine, sondern als Wertesystem", betonte Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, forderte unterdessen erneut ein besseres System für die legale Aufnahme von Asylsuchenden. Nur so könne man Flüchtlinge vor Schleppern schützen, sagte Guterres in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve in Genf. "Wenn wir gegen Menschenhändler kämpfen, die Opfer schützen und ein System in die Wege leiten, das es Flüchtlingen erlaubt, legal Asyl zu suchen, dann werden wir Erfolg haben", so Guterres. Ein EU-Aufnahmezentrum könne die Lösung sein, sagte Cazeneuve.

(dpa)
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