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Karlsruhe billigt Euro-Rettungsschirm ESM Voßkuhle: "Das Ergebnis ist eindeutig"

Brüssel · Deutschland darf sich weiter in vollem Umfang am Euro-Rettungsschirm für Krisenländer beteiligen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen gegen den Hilfs-Fonds ESM am Dienstag endgültig abgewiesen.

Der Euro-Rettungsschirm ESM
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Foto: dpa, Boris Roessler

"Das Ergebnis ist eindeutig", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. "Die Bestimmungen des ESM-Vertrages sind mit der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages vereinbar." Soll heißen: Die Etathoheit des Deutschen Bundestags bleibt bei Entscheidungen zum ESM gewahrt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht damit den Krisenkurs der Bundesregierung bestätigt. Das Vorgehen zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung sei verfassungsgemäß. "Das stärkt Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen."

Das Urteil kam nicht überraschend. Denn die Karlsruher Richter hatten bereits im September 2012 im Eilverfahren den Weg zur Beteiligung Deutschlands am ESM unter Auflagen freigemacht. Damals hieß es, die Finanzhilfen für hochverschuldete Euro-Länder verstießen nicht gegen das Grundgesetz, solange die Haftungsobergrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro nicht ohne Zustimmung des Bundestages angehoben werden könne. Die Bundesregierung musste das völkerrechtlich sicherstellen. Die Gefahr einer unbegrenzten Zahlungspflicht sei durch diese Erklärung der ESM-Mitgliedstaaten und der Bundesregierung "in völkerrechtlich verbindlicher Weise" ausgeschlossen, erklärte das Gericht.

"Nicht gegen die Stimmen deutscher Vertreter"

Es sei zudem gesichert, dass ESM-Entscheidungen "nicht gegen die Stimmen der deutschen Vertreter in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus ergehen können", schreiben die Richter in der Urteilsbegründung. Der Legitimationszusammenhang zwischen dem Parlament und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus werde also nicht unterbrochen.

Sie beziehen sich damit auf die Abstimmungsregeln im ESM. Alle wesentlichen Entscheidungen in dessen Gouverneursrat müssen einstimmig getroffen werden, etwa über die Gewährung von Finanzhilfen - einschließlich der damit verbundenen Auflagen, der einsetzbaren Instrumente und der Finanzierungsbedingungen. Deutschland wird also jederzeit ein Vetorecht haben. Für besonders dringliche Entscheidungen ist ein Eilabstimmungsverfahren im Gouverneursrat vorgesehen - mit einer qualifizierten Mehrheit von 85 Prozent der Kapitalanteile. Da Deutschland über 27 Prozent der Anteile verfügt, kann das Land praktisch nicht überstimmt werden.

Allerdings gibt es eine Ausnahme. Ihr Stimmrecht können Mitglieder dann verlieren, wenn sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nachkommen. Deshalb mahnt Karlsruhe an, dass der Gesetzgeber eine fristgerechte und vollständige Zahlung sicherstellt. Absehbare Zahlungspflichten müssten bei der Haushaltsaufstellung berücksichtigt werden. Deutschland hat bislang rund 22 Milliarden Euro in den ESM eingezahlt und sich zur Bereitstellung von weiteren rund 168 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital verpflichtet.

Karlsruhe: Vorsorge tragen

Allerdings verlangte Karlsruhe nicht, schon jetzt für die gesamten 168 Milliarden Euro Vorsorge zu tragen. Ein Abruf auf einen Schlag sei nicht zu erwarten. Auch den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin hält Karlsruhe für rechtens. "Der Vertrag räumt den Organen der Europäischen Union keine Befugnisse ein, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berühren und zwingt die Bundesrepublik Deutschland nicht zu einer dauerhaften, nicht mehr reversiblen Festlegung ihrer Wirtschaftspolitik", so die Richter.

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle machte aber auch klar, dass der Weg aus der Schuldenkrise demokratisch rückgebunden und verfassungsrechtlich gangbar sein müsse. Dem Bundestag machten die Richter klare Vorgaben, wie er seine Haushaltsautonomie zu wahren hat. Voßkuhle sagte: "Je größer das finanzielle Ausmaß von Haftungsübernahmen ist, um so wirksamer müssen Zustimmungs- und Ablehnungsrechte sowie Kontrollbefugnisse des Bundestages ausgestaltet werden." Die Volksvertreter dürften sich keinen Mechanismen ausliefern, die zu nicht überschaubaren finanziellen Lasten ohne vorherige Zustimmung des Bundestag führen könnten. Dieser müsse der Ort bleiben, "an dem eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird, auch im Hinblick auf internationale und europäische Verpflichtungen."

Die Kläger hatten argumentiert, mit dem ESM werde die im Grundgesetz verankerte Budgethoheit des Bundestags untergraben. Geklagt hatten unter anderen die Bundestagsfraktion der Linken, der Verein "Mehr Demokratie" mit mehr als 37.000 Bürgern sowie CSU-Vize Peter Gauweiler. Es war die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte des Gerichtes.

ESM mit 500 Milliarden Euro

In Karlsruhe sind nun noch Beschwerden über die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) anhängig. Die Frage ist, ob der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen durch die EZB mit EU-Recht vereinbar ist. Das Verfassungsgericht hat diese Fragestellung vom Hauptverfahren abgespalten und dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Sollte der EuGH Einwände haben, könnte das die Krise neu entfachen. Denn die bloße Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, den Euro notfalls mit unbegrenzten Anleihekäufen von Krisenstaaten zu verteidigen, hatte die Märkte beruhigt. Sollte das Instrument sich als rechtswidrig und damit unwirksam erweisen, wäre das ein großes Problem für die Euro-Retter.

Der ESM soll mit bis zu 500 Milliarden Euro klamme Euro-Länder stützen. Dafür müssen die Euro-Staaten 700 Milliarden Euro Stammkapital bereitstellen, wobei auf Deutschland entsprechend seinem Anteil an der Europäischen Zentralbank 27,15 Prozent entfallen.

Bisher sind von den 500 Milliarden 50 Milliarden Euro an Spanien und Zypern vergeben worden. Der Direktor des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, zeigte sich erleichtert über den Karlsruher Richterspruch: "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine gute Entscheidung für Europa und für Deutschland", erklärte er. Das Gericht habe "endgültig Klarheit" geschaffen. Das ist auch für die Banken wichtig. Denn Institute dürfen nun Anleihen des ESM als risikofrei in ihrer Bilanz behandeln. Sie müssen damit also kein Eigenkapital für den eventuellen Zahlungsausfall der Papieren vorhalten.

(ing)
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