Kampf gegen den Euro-Schuldenkrise Vertrag über mehr Haushaltsdisziplin umstritten

Brüssel · Ein neuer Vertrag über mehr Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone und im größten Teil der Europäischen Union ist nach wie vor umstritten. Dies wurde am Freitag in Brüssel bei Beratungen hoher Beamter der 27 EU-Regierungen, der EU-Kommission und Abgeordneten des Europaparlaments deutlich.

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Zu den Streitpunkten gehört unter anderem die Frage, welche Kompetenzen EU-Institutionen in diesem Vertrag außerhalb des EU-Rechtsrahmens haben sollen. Auch die Forderung der EU-Abgeordneten nach Eurobonds ist strittig.

Während die Gespräche in Brüssel begannen, warnte der britische Premierminister David Cameron in London die Unterzeichnerstaaten davor, EU-Einrichtungen zu nutzen. Großbritannien hat als bisher einziges EU-Land schon im vergangenen Dezember erklärt, es werde sich an dem Vertrag nicht beteiligen.

"Man kann nicht einen Vertrag außerhalb der Europäischen Union haben, der anfängt zu tun, was innerhalb der Europäischen Union getan werden sollte", sagte Cameron dem Radiosender BBC 4. Als Handelsnation werde Großbritannien vor allem keine Einschränkungen des Binnenmarktes hinnehmen, zu dem auch der Finanzsektor gehört: "Wir werden alles tun, was möglich ist, um sicherzustellen, dass das nicht passiert."

Defizitsünder sollen verklagt werden können

Nach Angaben von Diplomaten sieht der aktuelle Vertragsentwurf vor, dass die EU-Kommission jene Staaten, deren Regierungen gegen die Regeln zur Haushaltsdisziplin verstoßen, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen kann. Die Kommission soll auch kontrollieren, ob die Unterzeichner ihre Verpflichtungen einhalten. Durch strikte Kontrolle der Haushaltsgrenzen - eine Schuldenbremse bei 60 Prozent des Buttoinlandsprodukts und ein Haushaltsdefizit von maximal 3 Prozent - soll das Vertrauen der Finanzmärkte in die Stabilität der Eurozone und der EU wieder gestärkt werden. Der Vertrag soll spätestens im März unterzeichnet werden.

Der "Fiskalvertrag" muss wegen des britischen Vetos außerhalb der EU geschlossen werden. Dennoch hoffen die Unterzeichnerstaaten, ihn innerhalb von fünf Jahren zu einem Teil der EU-Verträge zu machen. Zunächst bleibt die Frage unklar, wie EU-Institutionen in den Vertrag eingebunden werden sollen. So soll der EU-Gerichtshof gegen Defizitsünder vorgehen dürfen. Dabei stützen sich die Autoren des Vertrages auf Artikel 273 des EU-Vertrages von Lissabon. Dieser sieht allerdings vor, dass der Gerichtshof für "jede mit dem Gegenstand der Verträge in Zusammenhang stehen Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten zuständig" sein kann. Diese Formulierung bezieht sich jedoch auf die EU-Verträge.

Die an den Vertragsgesprächen beteiligten Abgeordneten des Europaparlamentes verlangten nach Angaben des Parlaments vom Freitag, die Mitgliedstaaten müssten einen "Entschuldungsfonds" schaffen und zugleich einen Rahmen für die Einführung von Eurobonds schaffen. Ein Teil der Staatsverschuldung solle über gemeinsame "Stabilitätsbonds" finanziert werden. Diese Idee wird vor allem von der deutschen Regierung strikt abgelehnt.

Dänemark macht EU-Schuldenkrise zum zentralen Thema

Dänemark hat die Bewältigung der Euro-Schuldenkrise zum zentralen Ziel seiner EU-Ratspräsidentschaft erklärt. "Wir übernehmen die Präsidentschaft zu einem historisch schwierigen Zeitpunkt. Unsere Präsidentschaft erfolgt, ebenso wie die polnische, inmitten einer Krise", sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt am Freitag in Kopenhagen bei der Vorstellung des Programms für den sechsmonatigen EU-Vorsitz ihres Landes.

Die erst vor drei Monaten gewählte Regierungschefin hatte die Euro-Rettung bereits vorab zu ihrer Hauptaufgabe erklärt. Am kommenden Montag will sie in Brüssel mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy über die Schuldenkrise reden. Dänemark ist zwar Mitglied der Europäischen Union, gehört aber nicht zur Währungsunion.

Niederlande wollen mit Deuscthland an einem Strang ziehen

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa Realismus angemahnt und Schuldenstaaten harte Maßnahmen bis zum Rauswurf aus der Eurozone angedroht. Bei einem Auftritt am Rande der CSU-Landesgruppentagung im bayerischen Wildbad Kreuth betonte Rutte am Freitag, er unterstütze die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die Krise nicht mit einem Paukenschlag zu lösen sei. "Wunder gibt es leider nur im Märchen", sagte Rutte, der der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) angehört. Leidenschaft und Idealismus könnten nicht schaden. "Aber es braucht einen neuen Realismus."

Es sei wichtig, dass Deutschland und die Niederlande an einem Strang zögen. "Das Thema berührt direkt den Wohlstand unserer Bürger." Es sei ihnen nicht zu vermitteln, dass sie selbst länger als bis zum 65. Lebensjahr arbeiteten müssten und wenn hoch verschuldete Länder sich weigerten, ähnliche Maßnahmen zu treffen. Wenn ein Land den Euro in Gefahr bringe, müsse die Möglichkeit bestehen, es zwangsweise aus der Eurozone auszuschließen. Das würde nur geschehen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft seien. Die Niederlande teilen hier die Ansicht der CSU. Der CDU geht ein Rauswurf zu weit.

CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte, er würde einen Sonderparteitag einberufen, falls die Euro-Rettungsschirme über die bisher vereinbarten Hunderte von Milliarden Euro aufgestockt werden sollten. Über ein so existenzielles Thema für das Land und die Volkswirtschaft müssten die Parteimitglieder entscheiden.

(dpa)
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