EU verstärkt Kampf gegen Geldwäsche Die finanziellen Bombenentschärfer

Brüssel · Es ist beides Teil des russischen Kampfes gegen den Westen: Bomben auf die Ukraine und mit Geld die Spaltung Europas beschleunigen. Die EU will sich nun beim Vorgehen gegen die Geldwäsche neu aufstellen.

 Eine Razzia in Ratingen gegen Geldwäsche im November 2021.

Eine Razzia in Ratingen gegen Geldwäsche im November 2021.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Geldwäsche - wenn dieses Stichwort fällt, entstehen bei den meisten Politikern Bilder von Drogenbossen, organisierter Kriminalität, Terrorfinanzierung. Dabei sind die Bedrohungen für die westlichen Demokratien noch viel umfassender. Die in Teilen unklare Finanzierung der Brexit-Kampagne hat aller Welt vor Augen geführt, wie leicht schwerwiegende Entwicklungen beeinflusst werden können, wenn sich einmal die Stimmung dreht. Die Londoner Putin-Expertin Catherine Belton hat detailliert beleuchtet, wie ein Netzwerk rund um Russlands Präsidenten Wladimir Putin zuerst Milliarden in strategische Schwarzgeldverstecke brachte und nun gezielt daran geht, „eine gewaltige Bombe an die Fundamente der Europäischen Union“ zu legen, wie Belton von einem Insider erfuhr. Etwa durch gezielte Finanzierung von Gruppen am linken und rechten Rand. Diese Erkenntnisse dürften die in Kürze beginnenden Verhandlungen über eine neue Anti-Geldwäsche-Verordnung der EU mit prägen.

Es ist bereits der sechste Versuch, die Geldwäsche-Bedrohungen in den Griff zu bekommen. Doch wie der rheinland-pfälzische Europa-Abgeordnete Ralf Seekatz weiß, war „die organisierte Kriminalität immer einen Schritt voraus“. Es sei höchste Zeit, aus den Fehlern zu lernen: Wegen der starken Fragmentierung habe es in den entscheidenden Bereichen bislang an einheitlichen Rahmenbedingungen gefehlt. Nun könnten die „bestehenden Schlupflöcher geschlossen werden“, fasst der CDU-Politiker zusammen, der für die EVP die Positionierung des Parlamentes aushandelte.

Die Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission beginnen zwar erst im Mai. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass als sichtbarstes Zeichen eines schärferen Durchgreifens eine eigene EU-Behörde gegen Geldwäsche entstehen wird - mit der Befugnis, Sanktionen und Geldstrafen verhängen zu können. Zudem soll sie die Zusammenarbeit der nationalen Geldwäsche-Fahnder verbessern und mehr Nachdruck in das Entstehen einheitlicher Standards bringen.

Um den Sitz von „AMLA“ (der „Anti-Money Laundering Authority“) wird längst heftigst gerungen. Frankreich will sie nach Paris holen, Spanien nach Madrid, Österreich nach Wien, Litauen nach Vilnius. Italien signalisiert, Rom sei doch bestens geeignet. Und auch Finanzminister Christian Lindner legt sich für Frankfurt als vermeintlich idealen Ort in Brüssel mächtig ins Zeug. Damit die EU sieht, wie ernst es ihm in Sachen Geldwäsche ist, hat er die Spitze der deutschen Anti-Geldwäsche-Einheit neu besetzt. Daniel Thelesklaf, derzeit noch bei den Vereinten Nationen mit dem Projekt „Finanzen gegen Sklaverei und Menschenhandel“ betraut, soll Anfang Juli die FIU, die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, übernehmen, kräftig reformieren, digitalisieren und beschleunigen. Derzeit türmt sich hier noch ein Berg von Zehntausenden unbearbeiteten Verdachtsmeldungen.

Das grundsätzliche Problem liegt im Wesen der Geldwäsche. Sie ist zum Schutz vor leichter Enttarnung in der Regel derart raffiniert und über mehrere Länder hinweg verschachtelt, dass sich regionale Staatsanwälte oft schwer tun, die Dinge zu entwirren. Auch hierbei soll die neue EU-Verordnung helfen, indem sie neue Auflagen zu den Besitz- und Kontrollverhältnissen bei Geld und Beteiligungen machen. Zudem wird der Zugang zu einschlägigen Registrierungen einfacher, auch Journalisten und Interessengruppen sollen so die Zusammenhänge von Hintermännern und Strohleuten einfacher durchleuchten können.

Schwieriger wird es dann bei den vielen tausend Finanzexperten, die ihre direkten und indirekten Einflüsse in den Dienst der Geldwäsche stellen, weil sie unbemerkt ziemlich schnell ziemlich reich werden können. Vor allem die britischen und schweizer Finanzplätze scheinen regelrecht durchseucht von den Milliarden zu sein, die die Akteure des früheren sowjetischen Geheimdienstes, ihre Kontaktpersonen und die neue schwerreichen russischen Oligarchen in den Westen geschleust haben. Doch ein Zeichen setzte hier gerade das Bezirksgericht Zürich, das vier frühere Banker einer Gazprombank-Tochter für schuldig befand, Konten auf den Namen eines Putin-Jugendfreudes nicht ordnungsgemäß überprüft zu haben.

Mit London und Zürich sind schwerpunktmäßig Länder betroffen, die nicht mehr oder noch nicht Mitglied der EU sind. Doch wenden sie viele EU-Regeln adäquat an und arbeiten mit der EU intensiv zusammen. Das ist auch für die typische Klientel immens wichtig, wie etwa Alischer Usmanow belegt, einer der wichtigsten Oligarchen, der auf die EU-Sanktionslisten kam und Luxusunterkünfte nicht nur in London sein eigen nennt - sondern auch am Tegernsee.

Ganz gleich, wie das Ringen um den AMLA-Standort auch ausgehen mag, Lindners Leute arbeiten im Finanzministerium gerade an einem Gesetzentwurf, um eine eigene Bundesbehörde gegen Geldwäsche spätestens 2025 an den Start zu bringen. Das Motiv kennt auch Linken-Chef und EU-Parlamentarier Martin Schirdewan: „Deutschland ist ein Paradies für Geldwäsche und Steuerbetrug.“ Die neue EU-Verordnung sei deshalb ein erster Schritt zur bessere Bekämpfung, allerdings noch keine radikale Kampfansage. Ein Teil der anstehenden Verhandlungen wird die Höhe einer Bargeldobergrenze sein. Die Ampel-Parteien wollten in Brüssel bei 3000 Euro schon Schluss machen, die Christdemokraten konnten 7000 Euro als Parlamentsposition erstreiten. Und nach Einschätzung von Seekatz können sie mit Rückendeckung des Rates vermutlich eine Obergrenze von 10.000 Euro erreichen. Das ist der Betrag, von dem an die Kunden in Deutschland jetzt schon einen Herkunftsnachweis erbringen müssen.

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