Einheitlicher Standard USB-C EU macht Schluss mit Ladekabel-Salat
Straßburg · Das Ende der von Ladekabeln überquellenden Schubladen rückt näher. Das Europa-Parlament machte den Weg frei für USB-C als neuen Standard für alle Kleingeräte vom Handy bis zum Laptop. Aber erst 2024 und 2026 werden die Vorgaben an der Verkaufstheke ankommen.
Der maltesische Chefunterhändler machte greifbar, was an diesem Dienstag Bahnbrechendes im Europa-Parlament geschah. Alex Agius Saliba hob mit der Linken ein dickes Knäuel aus Ladekabeln und Steckern aus einer prall gefüllten Box, mit der Rechten ein einziges schlankes Kabel mit USB-C-Anschluss. Der Kabelsalat stehe für die Vergangenheit, das einzelne Kabel für die Gegenwart, meinte der Sozialdemokrat. Dabei würdigte er, wie viele Redner nach ihm, die nachfolgende Abstimmung als „großen Tag für die Verbraucher“ und „großen Tag für die Umwelt“. Es gibt dabei jedoch mindestens einen Schönheitsfehler. Bis die Ablösung des Knäuels durch ein Kabel Gegenwart wird, werden noch mindestens zwei Jahre vergehen, und erst 2026 holt die EU auch die Laptops in die Standard-Vorgaben hinein.
EU-Vizekommissionspräsidentin Margarethe Vestager beglückwünschte zwar das Parlament, sich gegen alle Widerstände beharrlich auf die Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher gestellt zu haben. Dadurch würden diese künftig 250 Millionen Euro pro Jahr sparen können, würden mindestens Tausend Tonnen Elektroschrott weniger entstehen. Doch so überwältigend das Votum des Parlamentes mit 602 gegen 13 Stimmen bei acht Enthaltungen auch ausfiel, der Rat der EU-Fachminister muss erst noch zustimmen. Und diese noch für diesen Monat erwartete Zustimmung hatte er sich in den vorangegangenen Verhandlungen bereits mit einer deutlich längeren Übergangsfrist abkaufen lassen, als das EU-Parlament wollte: Ende 2024 statt nur bis ins nächste Jahr.
Dafür wurde die Liste der betroffenen Geräte wiederholt verlängert. Neben den von Anfang an vorgesehenen Handys, Tablets, Digitalkameras, Kopfhörern, Headsets, Spielkonsolen und mobilen Lautsprechern kamen auch E-Reader, Tastaturen, Computermäuse, tragbare Navis, Ohrhörer und Laptops hinzu. Gegenüber dem ersten Vorschlag der Kommission wurde die Zahl der betroffenen Produktkategorien fast verdoppelt. Regelmäßig soll überprüft werden, was noch aufgenommen werden kann und muss.
Das Parlament erreichte zudem, dass die Entwicklung bei den kabellosen Ladestationen verstärkt beobachtet wird, damit hier nicht erneut eine Vielzahl von verschiedenen Techniken entsteht, sondern die Hersteller von Anfang an auf einheitliche Standards setzen. Die Verbraucher sollen zudem ausdrücklich zwischen Neugeräten mit beiliegenden Ladekabeln und solchen ohne wählen dürfen. Wer also bereits ausreichend Kabel zu Hause hat, soll nicht gezwungen werden, weitere kaufen zu müssen. Experten weisen jedoch darauf hin, dass die Übertragungsraten in den einzelnen Kabeln unterschiedlich sind. Auch das Ladetempo variiert sehr stark. Und eine Grenze wurde aus technischen Gründen zusätzlich eingezogen: Ab 100 Watt fällt die Pflicht für USB-C. Und auch Geräte, die für diese Steckergröße zu klein sind, bleiben außen vor.
Die Zustimmung zum Einheitskabel war von fraktionsübergreifendem Konsens getragen. CDU-Binnenmarktexperte Andreas Schwab sprach von einer „guten Nachricht“, da der Wettbewerb zwischen den Anbietern nun auf die Stellen konzentriert werde, an denen die Nutzer am meisten davon profitierten. Er verwies darauf, dass die ersten Anläufe im Parlament in das Jahr 2009 zurück reichten. Es sei wichtig, Standards auch dann durchzusetzen, wenn sie zunächst von der Industrie kritisiert würden. Schwab verwies als Beispiel auf den GSM-Standard für die Mobiltelefonie vor drei Jahrzehnten. „Leider hat der Telekommunikationsmarkt in Europa seither sehr viel verloren“, bedauerte der CDU-Politiker. Deshalb sei es wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie Europa wieder mehr Wettbewerb und attraktivere Märkte hinzubekomme.
Binnenmarktausschuss-Vorsitzende Anna Cavazzini kritisierte das über zehn Jahre währende Zögern der Kommission. Jahrelanger Kampf habe jedoch gezeigt: „Freiwilligkeit bringt nicht viel“, unterstrich die Grünen-Politikerin. Wenn es mit dem Wirtschaften nach dem Prinzip Produzieren - Verbrauchen - Wegwerfen weitergehe wie bisher, bräuchte es drei Erden, um den Bedarf bis 2050 zu stillen. „Wir müssen noch einen Zahn zulegen bei der Kreislaufwirtschaft“, sagte die Europa-Abgeordnete. Mit besonderen Erwartungen blicken sie und weitere Abgeordnete auf den für Ende des Monats angekündigten Gesetzesvorschlag der Kommission für ein „Recht auf Reparatur“.
Die Entscheidung der EU für den neuen USB-C-Standard bedeutet zugleich ein Aus für die Lightning- und Mikro-USB-Lösungen von Apple in der EU. Der Konzern hatte im Laufe des Gesetzesverfahrens vor dem Verlust von Innovationsfähigkeit gewarnt und darauf hingewiesen, dass in den letzten drei Jahren allein 250 Millionen Geräte mit Lightning-Ladetechnik auf den europäischen Markt gekommen seien. Wenn die Verbraucher diese nun vorzeitig entsorgten, entstünden dadurch über 5100 Tonnen zusätzlichen Elektroschrotts.