Washington/Brüssel US-Diplomatin beleidigt Europa

Washington/Brüssel · Mit einem deftigen "Fuck the EU" hat sich Victoria Nuland über die Krisenpolitik der EU in der Ukraine beschwert.

Die Schadensbegrenzung beginnt mit einer Gegenattacke. Als Erstes habe die russische Regierung — via Twitter — auf das Band aufmerksam gemacht, sagt Jay Carney, Sprecher des Weißen Hauses. "Ich denke, das sagt einiges über Russlands Rolle."

Die Rede ist vom Mitschnitt eines Gesprächs, das Victoria Nuland, die für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, mit Geoffrey Pyatt, dem US-Botschafter in Kiew, führte. Am 25. Januar diskutierten die beiden am Telefon, wie die künftige Regierung der Ukraine aussehen könnte. Den Oppositionellen und Ex-Boxweltmeister Witali Klitschko hält Nuland mangels Erfahrung nicht für geeignet — anders als viele EU-Parlamentarier, die sich zuletzt deutlich an die Seite Klitschkos gestellt hatten. Als Nächstes geht es um Pläne von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, den Diplomaten Robert Serry zum Sondergesandten für die Ukraine zu ernennen. Das wäre großartig, frohlockt Nuland, dann könnten die Vereinten Nationen helfen, "das Ding zusammenzukleben". Dann folgt der brisanteste Satz: "Weißt du, scheiß auf die EU" ("Fuck the EU").

Kaum war das Tonband publik geworden, folgten im State Department die üblichen diplomatischen Floskeln. Man arbeite unglaublich eng mit der Europa-Union zusammen, versicherte Jennifer Psaki, die Kommunikationschefin des Amts. Im Übrigen habe sich Nuland bei ihren EU-Partnern für ihre Wortwahl entschuldigt.

Wirklich hohe Wellen schlägt der Fall in Washington nicht, eher verwundert der Aufschrei der Europäer, die amerikanische Gepflogenheiten doch kennen müssten. Es ist der hemdsärmelige, bisweilen profane Ton, wie man ihn auch im Kabinett und Kongress pflegt. Hinter den Kulissen, versteht sich.

Für Catherine Ashton muss der Satz hingegen wie eine Ohrfeige wirken. Seit ihrem Amtsantritt gilt Europas erste "Außenministerin" als schwache Kompromisslösung und muss viel Kritik wegstecken. Mit dem abfälligen "Fuck the EU" von Nuland erreicht die Häme über die außenpolitische Schwäche der Union nun ihren Höhepunkt. Nach außen hält man sich jedoch bedeckt. Eine Sprecherin Ashtons sagte gestern nur: "Wir kommentieren durchgesickerte angebliche Telefongespräche nicht."

Kein Wunder. Das Terrain ist heikel. Denn zu allem Überfluss tauchte gestern im Internet ein zweiter Abhör-Mitschnitt auf. In dem beklagt sich Ashtons engste Beraterin, die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), Helga Schmid, über die USA. "Die Amerikaner gehen ein bisschen rum und erzählen, dass wir zu weich sind, während sie stärker sind und auf Sanktionen gehen", beklagte sich Schmid demnach beim EU-Botschafter in Kiew, Jan Tombinski. Das Vorgehen der USA sei " sehr unfair, heißt es in dem Mitschnitt, der offenbar vom 31. Januar stammt.

Die Mitschnitte geben Barack Obamas Publicity-Stab die Chance, den Spieß einmal umzudrehen, nachdem Edward Snowdens Enthüllungen das Oval Office monatelang von einer Verlegenheit in die nächste gestürzt hatten. Man sehe doch, dass nicht nur die NSA ihre Ohren aufsperre, andere seien da offenbar nicht weniger aktiv, lautet die Botschaft zwischen den Zeilen.

Der kritisierte Klitschko versuchte unterdessen die Wogen zu glätten. Er warnte davor, dass die USA und die EU sich nicht gegeneinander ausspielen lassen dürften.

(RP)
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