Auftritt in Straßburg Von der Leyen macht Werbung in eigener Sache

Brüssel · Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist am Mittwoch ins Europaparlament in Straßburg gekommen, um für ihre Kandidatur als Präsidentin der Europäischen Kommission zu werben. Das internationale Interesse ist groß.

Ursula von der Leyen begann den Tag nach ihrer Nominierung zur ersten Kommissionspräsidentin der EU mit Krisenbewältigung. 20 Stunden nach dem Durchbruch beim EU-Gipfel eilte die Bundesverteidigungsministerin ins EU-Parlament. Dort fühlen sich viele Abgeordnete durch die „Hinterzimmer“-Entscheidung zu den europäischen Spitzenjobs übergangen. Von der Leyen muss jetzt schnell dafür sorgen, dass sie in der EU-Volksvertretung in zwei Wochen auch eine Mehrheit bekommt.

„Es gibt das Risiko, dass von der Leyen im Parlament nicht durchkommt“, warnt der Brite Jonathan Faull, ein ehemaliger hochrangiger EU-Funktionär, der jetzt für die Beraterfirma Brunswick Group arbeitet. Denn viele im Parlament hatten gehofft, dass die Staats- und Regierungschefs dem Prinzip Rechnung tragen, dass nur einer der Spitzenkandidaten der Parteien bei der Europawahl Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden kann.

Die spanische Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, nannte die Gipfel-Entscheidung deshalb „zutiefst enttäuschend“. Die Grünen kritisierten eine „groteske“ Absprache, nachdem von den Mitgliedstaaten erst der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber und dann der Sozialdemokrat Frans Timmermans als nicht mehrheitsfähig aussortiert wurden.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Von der Leyen bleibt nicht viel Zeit, um die Wogen zu glätten. Schon am 16. Juli soll das Parlament über ihre Ernennung zur Kommissionspräsidentin abstimmen. Sie braucht dann die Stimmen von mindestens 376 der 751 Abgeordneten im Parlament. „Die hat sie noch lange nicht“, meint der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.

Denn ohne Sozialdemokraten und Grüne wird es schwierig. Von der Leyens eigene konservative Europäische Volkspartei (EVP) kommt nur auf 182 Sitze, die Liberalen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der von der Leyen beim Brüsseler Gipfel-Marathon vorgeschlagen haben soll, auf 108.

"Hallo Europa! Hello Europe! Salut l'Europe", begann die in Brüssel geborene Deutsche ihre Charmeoffensive polyglott mit einer ersten Nachricht über ihr brandneues Twitter-Konto. Es weist die Kandidatin als „Mutter von sieben, in Brüssel geboren, Europäerin im Herzen“ aus. Im Hintergrund der Profil-Website schwenken Hände Europafähnchen.

Ihr erster Weg führte von der Leyen am Mittwoch in die EVP-Fraktion im Straßburger Parlament. Denn auch bei den eigenen Leuten galt es hinter verschlossenen Türen Wunden zu heilen, nachdem der Fraktionsvorsitzende Weber am vehementen Widerstand Macrons gescheitert war und am Ende des großen Personalgeschachers nicht einmal mehr Parlamentspräsident werden durfte. „Sie wollte uns bezirzen“, sagt ein Teilnehmer nach dem Treffen. Wiederholt habe von der Leyen gesagt: „We are one team.“

Die eigenen Leute werden von der Leyen wohl mittragen, und die anderen? „Das Parlament ist eher ein Ort blinden Gehorsams“, sagt ein langjähriger EU-Abgeordneter. „Es schreit, aber am Ende macht es, was von ihm verlangt wird.“

„Ich gehe davon aus, dass es am Ende eine Mehrheit geben wird“, sagt auch Janis Emmanouilidis vom Brüsseler European Policy Center (EPC). Dies werde von der Leyen aber auch etwas kosten. „Man versucht jetzt auch, den Preis hochzudrücken dafür, dass man am Ende vielleicht nicht geschlossen, aber doch zum Gutteil als Partei für sie votiert“, sagt er.

Dauern die Befriedungsversuche zu lange, bliebe als Option eine Verschiebung des Parlamentsvotums. Eine Premiere wäre das nicht: So hatte die Kammer 2009 die Abstimmung über die umstrittene zweite Amtszeit von Kommissionschef José Manuel Barroso auf September verlegt, „um seine Kandidatur gründlicher zu beurteilen“. Am Ende wurde der Portugiese ein paar Wochen später für weitere fünf Jahre gewählt.

Emmanouilidis glaubt allerdings bei von der Leyen nicht an das Verschiebungsszenario. „Sie ist eine erfahrene Politikerin“, sagt er. „Sie kann das in zehn Tagen hinbekommen.“

(lukra/AFP)
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