Start unserer neuen Serie Unser Europa

Düsseldorf · Was ist los mit Europa? Warum haben es die Vorteile dieser weltweit einzigartigen Konstruktion so schwer durchzudringen? Das wollen wir zusammen mit zehn weiteren Redaktionen in Nordrhein-Westfalen herausfinden und starten eine bislang einzigartige Serie.

 Eine Europafahne (Symbolfoto).

Eine Europafahne (Symbolfoto).

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Wie bitte? Eine Titelseite zu Europa? Ja, gibt’s denn nichts Wichtigeres? Nein! Es gibt derzeit nicht viel Wichtigeres als Europa. Die Europäische Union ist unsere Zukunft, aber sie ist in keinem guten Zustand. Der Brexit vor der Tür. Zerstritten in der Migrationsfrage. Zerrieben zwischen Europaskeptikern in Washington und Europagegnern im Osten. Zu verschuldet, zu alt, zu träge. Viel Pathos in den Sonntagsreden, aber wenig konkrete Politik montags. Und natürlich: zu klein für den Kampf um den Wohlstand von morgen gegen China, Indien, USA.

Alles nur Schwarzmalerei? Zugespitzt vielleicht, aber wohl nicht falsch. „Europa ist in einem desolaten Zustand“, sagt der Träger des Deutschen Buchpreises, Robert Menasse. Aber, sagen Sie: Europa ist doch das große Friedensprojekt! Das stimmt, aber wer honoriert das noch? Die Kriegskinder sind heute 80 oder 90 Jahre alt. Für die Enkel ist der Frieden in Europa selbstverständlich geworden. Genauso wie die Demokratie und die Freiheiten, die sie genießen. Dass all das nicht unbedingt sexy auf Jüngere wirkt, zeigen die dramatischen Wahlerfolge der Rechtsnationalisten auch bei den Jüngeren in Großbritannien und Österreich, in Schweden und Italien. Die Europäische Union braucht einen Weckruf, eine neue Erzählung. Einen Relaunch, wie wir Medienschaffenden sagen würden. Die Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019 ist deshalb mehr als die Wahl zum Europäischen Parlament. Sie ist eine Richtungswahl. Eine Abstimmung über die Zukunft der Union. Unser Auftrag ist es, die Alternativen deutlich zu machen. Bei dieser Wahl entscheidet sich, ob die Union weiter zusammenwachsen soll, schlagkräftiger, fitter und robuster wird, um gegen die großen Wachstumsregionen der Welt zu bestehen. Ja, auch ob sie als Wertebündnis von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erhalten bleibt. Oder ob sie sich zu einem Sammelsurium der Nationalstaaten zurückentwickelt, in dem Grenzen und Barrieren, Ränkespiele und Eifersüchteleien dominieren. Das wäre der sichere Weg in die internationale Bedeutungslosigkeit. Unmöglich ist das nicht. Siehe Brexit. Siehe Salvini. Siehe Strache.

Es sind nur noch 200 Tage bis zur Wahl. Höchste Zeit also, um für „unser Europa“ zu kämpfen. Nur wie? Mit Engagement und Präsenz, wie es die Bewegung „Pulse of Europe“ gezeigt hat. Aber auch durch Aufklärung und Erklärung. Da kommen wir ins Spiel. Als Medien haben wir eine Verantwortung, wir treten ein für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde. Aber wir können  auch publizistischer Lotse sein, Transparenz herstellen. Und das scheint rund um die Europäische Union dringend nötig. Wo ist die EU erlebbar im Alltag? Wo bringt mehr Europa wirklich mehr Vorteile? Der große Europäer Jean Monnet mahnte, die Vergemeinschaftung solle nicht „nur“ den Frieden sichern, sondern rationalen Nutzen für die Menschen bringen. Was ist das heute in einer Zeit der Verunsicherung, der Globalisierung und Digitalisierung? Und wo vernebeln Vorurteile den klaren Blick für die Institutionen? Wo hat die EU mehr Freiheiten gebracht? Aber natürlich auch, wo führen europäische Strukturen in die Irre, wo lähmt die Bürokratie? Darum soll es gehen. In Reportagen, Geschichten, Interviews. „Europa betrifft mich nicht“ kann keiner sagen. Wer atmet, wer reist, wer einkauft, wer arbeitet oder Wasser trinkt, erlebt Europa. Von den Luftreinheitsgrenzwerten über die Standards zur Wasserqualität bis zum freien Warenverkehr und der grenzfreien Reise von Lissabon bis Danzig. Und vor allem: Europa ist der Austausch zwischen Menschen. Zum Beispiel durch das Stipendienprogramm Erasmus, jenes gigantische Datingportal der Nationen. Auch darum wird es hier gehen. Sie sehen, wir wollen die Lust auf Europa wecken.

Dafür bündeln in einer einzigartigen Aktion elf Zeitungshäuser an Rhein und Ruhr ihre Kräfte und starten die gemeinsame Serie: „Unser Europa“. Wir Nordrhein-Westfalen können Europa, weil wir es im Kleinen erleben. Ein Land der Mentalitäten, künstlich zusammengeführt, aber über die Jahre haben wir Gefallen aneinander gefunden. Nirgendwo leben so viele EU-Bürger so dicht beieinander. 207 Europaschulen gibt es an Rhein und Ruhr, so viele wie nirgends. Von Düsseldorf ist Brüssel näher als München. Die holländische Küste ist das Urlaubs­ziel von Millionen Nordrhein-Westfalen, in weniger als vier Stunden sind wir im Elsass. Es waren der Lothringer Robert Schuman und der Rheinländer Konrad Adenauer, die 1100 Jahre nach Karl dem Großen die Erbmassen des Kaisers zusammenbrachten und die deutsch-französische Versöhnung zum Kern eines integrierten Europas machten. Das Ruhrgebiet war das Herz der Montanunion. Einheit in Vielfalt, so ist das hier nicht erst, seitdem italienische und portugiesische Gastarbeiter Duisburg, Dortmund oder Dorsten zu ihrer Heimat erkoren haben.

Wir Nordrhein-Westfalen sind überzeugte Europäer. Wir können gar nicht anders. Freuen Sie sich also auf viele spannende Geschichten aus unserem Europa. Zum Auftakt sprechen wir mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder über ein Europa in der Krise.

Fragen, Anregungen, Kritik? Schreiben Sie mir an: chefredakteur@rheinische-post.de.

Eine Zusammenarbeit von: Aachener Zeitung, Bonner General-Anzeiger, Funke Mediengruppe, Kölnische Rundschau, Rheinische Post, Ruhr Nachrichten, Westfalen Post.

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