60 Millionen Euro für Projekte Visionen für Europas Hochschulen gesucht
Bildung über Grenzen hinweg: Die EU fördert Macrons Idee mit 60 Millionen Euro. Das Interesse ist groß, auch an der RWTH Aachen.
Es war eine große Rede, die Emmanuel Macron im September 2017 an der ehrwürdigen Sorbonne hielt. Darin skizzierte er eine Vision: gemeinsame europäische Bildung über Grenzen und Sprachen hinweg, mit einem gemeinsamen Abschluss. Auch einen Namen hatte er parat: Europäische Universitäten. Kann das funktionieren? Der französische Präsident hat den Grundriss geliefert, die EU-Kommission hat daraus rasch ein Förderprogramm entwickelt – nun sind die Hochschulen als Gestalter dran. Es sollen dabei Allianzen von je mindestens drei Universitäten aus verschiedenen Ländern entstehen. Zwölf solche Kooperationen werden dieses Jahr jeweils bis zu fünf Millionen Euro bekommen. Das Budget des Programms wurde Anfang des Jahres schon verdoppelt. Das NRW-Kulturministerium hat zusätzlich die Antragstellung mit je 10.000 Euro gefördert. Das Interesse ist groß, bis 28. Februar sollen die ersten Anträge eingereicht werden.
„In diesen Tagen spricht jeder über das Programm und darüber, wie wichtig es ist“, sagt Henriette Finsterbusch von der RWTH Aachen. Sie leitet den Antrag und trifft, egal ob beim Deutsch Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Bonn oder in Brüssel, auf anderen Interessierte. „Europa ist in unserer DNA“, sagt Finsterbusch. „Wir haben uns überlegt, wie die Zukunft Europas aussehen soll und welche Rolle wir als technische Universität darin spielen.“ In Aachen will man mit den Partnern Probleme „aus der realen Welt“ lösen. Studenten sollen in Zusammenarbeit mit Unternehmen praxisrelevante Aufgaben bearbeiten. Künstliche Intelligenz soll dabei eine zentrale Rolle spielen.
Viel mehr über das konkrete Konzept will Finsterbusch nicht verraten. Es geht immerhin um viel Geld und um Prestige, die Konkurrenz ist vermutlich groß. „Ich gehe davon aus, dass es sehr viele Anträge geben wird“, sagt Finsterbusch. Die RWTH sei auch von anderen Unis aus ganz Europa gefragt worden, ob sie einen gemeinsamen Antrag vorbereiten wolle. „Das Interesse war immens, das kann man nicht anders sagen.“ Das bestätigt auch Beate Körner, Referatsleiterin für das neue Programm beim DAAD. Mitte Oktober vergangenen Jahres hat sie eine Infoveranstaltung in Bonn gegeben. „Dazu sind mehr als 100 Hochschulvertreter gekommen“, sagt Körner.
Für NRW gab es auf Initiative des Kulturministeriums sogar eine zusätzliche Veranstaltung, zu der 22 Interessenten aus regionalen Hochschulen kamen. Die zusätzliche Förderung des Ministeriums sei toll, sagt Beate Körner. Ihr sei kein anderes Bundesland bekannt, dass etwas Ähnliches anbiete. Auch Henriette Finsterbusch lobt die Aktion des Ministeriums. „Das war unkompliziert, unbürokratisch und schnell.“
34 Länder können sich für die Pilotphase bewerben: Alle EU-Mitgliedstaaten, sowie Island, Liechtenstein, Mazedonien, Norwegen, Serbien und die Türkei. Wer bei der RWTH Aachen sofort an Holland oder Belgien denkt, liegt falsch. Zumindest teilweise – eine Hochschule aus der niederländischen Stadt Delft ist dabei, aber auch Unis aus Göteborg und Mailand. Mit diesen Partnern arbeitet die RWTH schon seit Jahren innerhalb des Verbunds „IDEA League“ zusammen. Mit der Wahl der Länder erfüllt die Universität eine wichtige Bedingung für den Antrag – die geographische Ausgewogenheit. „Es soll verhindert werden, dass sich die üblichen Verdächtigen zusammentun“, sagt Beate Körner. Die Kommission wolle nicht, dass Süd- und Osteuropa zu kurz kommen. „Wir hatten die geographische Balance im Hinterkopf, wollten uns aber für das Programm nicht verbiegen“, sagt Finsterbusch. Es gehe in der Bewerbung vor allem um Inhalte. Und innerhalb der „Idea League“ kennt man sich eben – und arbeitet schon länger gut zusammen. Ein Partner musste allerdings ausfallen. Die Technische Hochschule in Zürich, die auch zum Verbund gehört, konnte nicht teilnehmen, weil die Schweiz nicht zu den Programmländern gehört.
Rechnerisch seien die Chancen auf Erfolg in der Pilotphase wohl nicht besonders groß, sagt Henriette Finsterbusch. Es gibt nicht nur aus Deutschland einige Konkurrenz, es kommen ja auch noch weitere 33 Länder dazu. „Aber wir wollen mit unserem speziellen Profil als technische Universitäten überzeugen.“ Man wolle mit dem Antrag natürlich gern Erfolg haben, aber wenn nicht, dann habe man eben viel gelernt. Das ist auch im Sinne der EU. „Die Ideen sollen bei der Pilotphase reifen, die Kommission will zunächst einmal zuhören, was sich die Unis unter dem Begriff ‚Europäische Hochschule’ vorstellen“, sagt Beate Körner.
Dass es langsam vorangeht, kann man der sonst für ihre starre Bürokratie bekannten EU nicht vorwerfen. Seit Macrons Rede an der Sorbonne sind nicht einmal anderthalb Jahre vergangen. „Mindestens 20“ solcher Universitäten soll es bis 2024 geben, das hat sich der französische Präsident damals in seiner großen Rede über die Zukunft Europas gewünscht. Wenn Ende des Jahres die zwölf besten Ideen ihre Förderung von der EU erhalten, ist das ein guter Start. Im Herbst dieses Jahres beginnt übrigens schon die zweite Pilotphase.