Castrop-Rauxel Europastadt? Nie gehört!

Castrop-Rauxel ist seit 1962 Europastadt. Was bedeutet das eigentlich? Eine Spurensuche.

Foto: Stadtarchiv Castrop-Rauxel

Europastadt Castrop-Rauxel – der Name verpflichtet, sollte man meinen. Begibt man sich zwischen den Autobahnen 40, 43, 2 und 45 auf Spurensuche, kann das aber sehr ernüchternd sein: „Europastadt? Nie gehört. Warum denn? Castrop-Rauxel ist doch Ruhrpott.“ Mitunter sogar frustrierend: „Ich muss erst meinen Verlobten fragen, ob Sie ein Foto von mir machen dürfen.“ Kurzes Telefonat. Klares „Nein!“ Pech, weiter suchen. Von der Europastadt Castrop-Rauxel hatte die junge Frau sowieso noch nie gehört.

Die nächsten drei auch nicht.

Wenn Europa schon nicht im Bewusstsein der Bürger verankert ist, dann aber wenigstens in der DNA. Isabella Es.Saadi stammt aus Polen, ihr Mann ist Spanier, ein Opa stammt aus Essen, dessen Vater aus Jugoslawien. Vor allem ist sie aber Castroperin. „Wenn das nicht europäisch ist“, stahlt sie.

Und dann trifft man auf Thomas Frauendienst. Der 54-Jährige kommt auf Krücken über – klar – den Europaplatz gehumpelt. „Europa verdanke ich mein Leben“ , legt er los. Ärzte aus Großbritannien, Spanien und Italien hätten ihm kurz nach der Geburt sein am seidenen Faden hängendes Leben gerettet. Thomas Frauendienst ist ein Bilderbuch-Europäer. Er schwärmt von den Errungenschaften der EU, diesem „Ballungsraum der Demokratie.“ Es kämen schwere Zeiten auf uns zu, ist er überzeugt, „die Probleme können wir nur zusammen lösen“.

„Selbstverständlich“, so Frauendienst, „kann man die Vorzüge Europas auch vor Ort in Castrop-Rauxel erfahren.“ Er schwärmt etwa vom friedlichen Miteinander unzähliger Kulturen in Habinghorst. Natürlich sei nicht immer alles rosig, aber die umliegenden Kommunen könnten sich in Sachen Engagement für Europa von Castrop-Rauxel eine ordentliche Scheibe abschneiden. „Ich mache mich stark für die europäische Idee“, sagt Frauendienst. Er selbst engagiert sich gesellschaftlich und politisch. „Selbstverständlich“ nennt er das und „Ehrensache“.

„Dieser Titel ist eine Verpflichtung“

Eine, der Europa ebenso am Herzen liegt, sitzt wenige Meter weiter im Rathaus. Edith Delord ist Beauftragte für Städtepartnerschaften – und denen hat Castrop-Rauxel schließlich den Ehrentitel „Europastadt“ in erster Linie zu verdanken. „Wir haben als eine der ersten Städte nach dem Krieg Partnerschaften mit anderen europäischen Städten begründet und diese gepflegt“, berichtet sie stolz. Als Dank für diesen Einsatz wurde die Stadt 1962 vom Europarat in Straßburg zur Europastadt ernannt. „Dieser Titel ist natürlich auch eine Verpflichtung“, sagt Edith Delord. Darum kümmert sie sich um „gute und regelmäßige Kontakte zu den Partnerstädten“. Ein Geben und Nehmen sei das. Als nächstes großes Projekt plant sie eine Reise mit Multiplikatoren in die griechische Partnerstadt Trikala. Von den Griechen könne man viel lernen. Trikala ist nämlich seit 2004 erste digitale Stadt Griechenlands. Davon ist Castrop-Rauxel weit entfernt.

Und wie profitieren die Partnerstädte von Castrop? Ganz bodenständig. Zum letzten Europatag hat sich die französische Partnerstadt Vincennes was Typisches aus Castrop gewünscht. „Wir haben dort dann auf dem Marktplatz einen Biergarten mit Currywurst, Blutwurst und Bratkartoffeln aufgebaut“, berichtet Edith Delord. Das sei bei den Franzosen richtig super angekommen.

Europa lebt – auch mitten im Revier. Vor allem dank Menschen wie Thomas Frauendienst und Edith Delord, die sich für die europäische Idee stark machen. Profitieren können davon dann letztlich alle. Auch der Verlobte der jungen Castroperin und die vielen Anderen – die sich bislang nicht für Europa interessieren.

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