Fragen und Antworten Worum genau geht es eigentlich beim Dauer-Zoff um das Urheberrecht?

Berlin · Künstler, Autoren und Verlage sollen an Macht gegenüber Internetriesen wie Google, Apple und Facebook gewinnen. Doch die geplante Reform des EU-Rechts stößt auf breite Kritik. Warum ist das so?

 Ein Plakat bei einer Demonstration des Bündnisses „Berlin gegen 13“.

Ein Plakat bei einer Demonstration des Bündnisses „Berlin gegen 13“.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Kaum ein anderes Thema treibt die Netzgemeinde derzeit so um wie die Vorschläge der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten zur Reform des europäischen Urheberrechts. Zensur, das Ende der Freiheit, der Tod des Internets: Die Wortwahl bei zahllosen Demonstrationen ist drastisch, die Debatte um Streitpunkte wie Uploadfilter emotional aufgeladen. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was genau soll geändert werden?

Grundsätzlich geht es darum, das Urheberrecht beispielsweise für Musik, Filme und Texte europaweit anzugleichen und an das digitale Zeitalter anzupassen. So soll die Neuregelung die Interessen der Urheber, der Nutzer und der beteiligten Unternehmen wie Internetplattformen und Verlage angemessen berücksichtigen. Hauptstreitpunkt ist die geplante Haftung von Plattformen wie Youtube und anderen für hochgeladene Inhalte. Dafür soll der Artikel 13 der EU-Urheberrechtsrichtlinie geändert werden. In der Konsequenz droht die Einführung sogenannter Upload-Filter, die auch rechtmäßige Inhalte ausbremsen könnten. Über Artikel 11 der Richtlinie soll ein neues Recht für Presseverleger eingeführt werden, wonach diese Geld von den Plattformen verlangen können, wenn die Anbieter Presse-Erzeugnisse nutzen.

Warum steht die Reform an?

Mit der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle kamen Probleme auf. Bei der Videoplattform Youtube etwa werden täglich weit mehr als 550.000 Stunden Filmmaterial hochgeladen. Niemand kann jedoch manuell prüfen, ob dabei nicht Urheberrechte verletzt werden. Gleichzeitig verdient Youtube, das zum Google-Konzern Alphabet gehört, viel Geld mit Werbeeinspielern in den Videos – die Rechteinhaber von möglicherweise illegal hochgeladenen Inhalten haben davon nichts.

Wie argumentieren die Befürworter der Reform?

Sie sehen in dem vorliegenden Kompromiss der Kommission und der Mitgliedsstaaten ein Instrument, um Urhebern und Verlagen mehr Macht gegenüber Internetplattformen einzuräumen. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und viele andere Interessensvertreter von Autoren, Künstlern und Kreativen sehen im neuen Artikel 11 eine Verbesserung für die Kulturwirtschaft in ganz Europa. Die Änderung biete Verlagen erstmals die Chance, „mit den großen Tech-Plattformen über die Nutzung ihrer Inhalte zu einem fairen Preis zu verhandeln“, heißt es vom BDZV.

„Beim Artikel 13 geht es um den Schutz des geistigen Eigentums Anderer. Das ist ein Grundrecht, das wir mit der digitalen Welt dringend in Einklang bringen müssen. Mit der Neuregelung liegen wir auf der Linie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs“, sagt der EU-Parlamentarier Axel Voss (CDU). Er verweist auch darauf, dass die Neuregelungen des Artikels 13 nur aktive Plattformen beträfe, die in großem Stil urheberrechtlich geschützten Werke Anderer hochlüden und damit Geld verdienten. „Es ist nicht richtig, wie vielfach behauptet wird, dass mit Art. 13 auch Nachbarschafts-, Dating- und Handelsplattformen künftig ihre Inhalte systematisch auf Urheberrechtswerke kontrollieren müssen.“ Nur ein bis fünf Prozent der Plattformen seien überhaupt betroffen.

Was stört die Gegner von Artikel 13?

Die Wahrscheinlichkeit, dass Webseitenbetreiber und Plattformen mit jedem Urheber Lizenzverträge für die Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Inhalten abschließen, ist nicht sehr hoch. Sollte es auch nicht gelingen, ein pauschales Lizenzsystem zu etablieren, bleibt laut Kritikern für die Umsetzung des Artikel 13 nur die Einführung sogenannter Uploadfilter. Der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke lehnt Artikel 13 ab. „Das Problem ist, dass der Artikel unweigerlich zur breiten Einführung von Erkennungssoftware beziehungsweise Uploadfiltern führen wird“, sagt er. Die seien teuer, würden mehrere Tausend Euro pro Monat kosten. Kritiker Solmecke legt den Text des Artikel 13 anders aus als die Befürworter. Er sagt: „Nimmt man den Artikel 13 beim Wort, müssten Urheber auf allen Plattformen dieser Welt alle ihre Texte, Bilder oder Videos hochladen, damit mögliche illegale Uploads daran abgeglichen werden könnten. Das ist absurd.“ Also werde auch Artikel 13 mit den Filtern ins Leere laufen, weil diese kaum zum Einsatz kommen dürften, sagt der Anwalt.

Welche anderen Ideen gibt es?

Alternativ zu Filtern gibt es Vorschläge zu einem pauschalen Vergütungssystem, das es bereits heute beim Kauf von Kopierern, CD-Rohlingen oder USB-Sticks gibt. Ein Teil der Verkaufserlöse geht an die Verwertungsgesellschaften wie die Gema oder VG-Wort. „Wir brauchen eine pauschale Abgabe auf jedes Megabyte bei Youtube, Facebook, Instagram und anderen großen Plattformen“, schlägt Anwalt Solmecke vor. „Dann würden Urheber automatisch deutlich mehr Geld bekommen als heute, und Upload-Filter wären überflüssig.“

Wie geht es weiter?

Ende März soll das Europäische Parlament über den Kompromiss abstimmen. Wird die Reform von den Abgeordneten angenommen, haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, das neue Recht in nationale Gesetze zu gießen. Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist noch völlig offen. Für den 23. März sind europaweit Proteste angekündigt worden. Der EU-Parlamentarier „Wenn es uns nicht gelingt, das Gesetz Ende März im Europäischen Parlament zu verabschieden, dann sehe ich schwarz.“ In der nächsten Wahlperiode werde es kaum noch möglich sein, gegen die dann sicherlich stärkeren anti-europäischen Kräfte überhaupt noch eine für Europa sinnvolle Regelung durchzusetzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort