"Standard & Poors" stuft Euro-Länder ab Und täglich grüßt die Ratingagentur

Paris/Washington · Die Herabstufung Frankreichs und einiger anderer Euro-Länder durch die Ratingagentur "Standard & Poors" fällt in eine Zeit, in der die Zeichen in Sachen Krise eigentlich auf Entspannung standen. Entsprechend groß ist die Verwunderung. Nur Frankreich zeigt sich gewohnt gelassen.

 Steinmeier gibt Sarkozy eine Mitschuld am Verlust der Topbonität.

Steinmeier gibt Sarkozy eine Mitschuld am Verlust der Topbonität.

Foto: dpa

EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, er bedauere die Entscheidung von S&P und nannte die Herabstufung inkonsistent. Er sagte, die Eurozone habe "entschiedene Schritte in allen Bereichen unternommen, um der Krise zu begegnen". Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker erklärte, die Staaten der Eurozone hätten bereits weitreichende Maßnahmen ergriffen, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Länder seien bereit, "alles zu tun, was nötig ist", um die Schuldenkrise zu meistern und für wirtschaftliches Wachstum zu sorgen.

 Der französische Finanzminister François Baroin gab sich betont gelassen. Der Verlust sei keine Katastrophe.

Der französische Finanzminister François Baroin gab sich betont gelassen. Der Verlust sei keine Katastrophe.

Foto: afp, ERIC PIERMONT

"Die Herabstufung ist auch eine Antwort auf Sarkozy, unter dem die notwendigen Reformen in Frankreich ausgeblieben sind", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". "Sarkozy und Merkel setzen beide auf Gipfeltreffen mit Blitzlichtern und Kameras, aber politische Taten bleiben aus."

Er befürchte, das gleiche werde man bei der Finanztransaktionssteuer erleben. Nach Einschätzung des ehemaligen Außenministers lässt die Herabstufung die Chancen für Sarkozy bei der Präsidentenwahl im April sinken. "Die Hoffnung auf einen politischen Wechsel wird auch in Frankreich Tag für Tag größer", so Steinmeier.

Westerwelle will europäische Ratingagenturen

Bundesaußenminister Guido Westerwelle fordert nach der Herabstufung mehrerer Euro-Länder durch Standard & Poors "dringend mehr Wettbewerb und unabhängige, europäische Ratingagenturen". Dies könne verhindern, dass "politische oder wirtschaftliche Interessen zulasten des Euro und zulasten Europas zur Geltung kommen", sagte der FDP-Politiker. Er werde in Europa entsprechende Gespräche führen.

Westerwelle kritisierte die Entscheidung von Standard & Poors. Positive Entwicklungen an den Finanzmärkten hätten zuletzt gezeigt, "dass unsere Beschlüsse und Maßnahmen zur Überwindung der Schuldenkrise zu wirken beginnen". Nun führe die Ratingagentur "künstlich" neue Anspannung im Euroraum herbei.

Frankreich bleibt ruhig

In Frankreich ist die Herabstufung der Bonität der "Grande Nation" durch die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) am Samstag vergleichsweise gelassen aufgenommen worden. Der französische Finanzminister François Baroin sagte im Fernsehsender France-2, der Verlust der Bestnote AAA sei keine Katastrophe und betonte, Frankreich verfüge noch immer über die solide Bonitätsnote AA+. "Die Vereinigten Staaten, die größte Volkswirtschaft der Welt, wurde im vergangenen Sommer herabgestuft", sagte Baroin. "Man muss da verhältnismäßig bleiben und die Ruhe bewahren. Es ist wichtig, das französische Volk nicht zu verängstigen."

Die Parteivorsitzende der oppositionellen Sozialisten, Martine Aubry, sagte, "der Verlust der Bewertung AAA ist die Rechnung für die Politik seit 2007". In diesem Jahr war der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy gewählt worden. Dieser hatte seitdem den Erhalt der Bestnote zur Chefsache erklärt. "Nicht Frankreich wurde herabgestuft, sondern diese Regierung", sagte der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, François Hollande, der im April gegen Sarkozy antreten will.

"Von dem Moment an, an dem Frankreich abgewertet wurde, schlägt das auf (Sarkozys) wirtschaftliche Bilanz zurück und es wird zu einem Faktor im Wahlkampf", sagte der Wirtschaftswissenschaftler am französischen nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung Elie Cohen der Nachrichtenagentur AP. Die wirtschaftliche Stellung Frankreichs habe schon länger an Stärke verloren. Eine Herabstufung sei seit Langem überfällig gewesen, sagte er.

Spanien fühlt sich bestärkt

Spanien sieht sich durch den Schritt der Agentur in seinem Kurs bestärkt. Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte, seine Regierung sei Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet. "Ratingagenturen stufen uns höher und niedriger ein, wir durchleben schwierige Zeiten", erklärte er. Seine Regierung wisse, was zu tun sei, "und das werden wir tun".

Die Slowakei sieht sich als Opfer der Gesamtsituation. "Das ist keine Entscheidung über die Slowakei, sondern über die Lage in der Eurozone", sagte der stellvertretende Finanzminister Vladimir Tvarozka. "Sie erhöht den Druck auf die EU, effektiv auf die Schuldenkrise zu reagieren."

Der zyprische Finanzminister Kikis Kazamias nannte die Abwertung seines Landes "willkürlich und unbegründet". S&P warf er am Samstag vor, die Sparmaßnahmen seines Landes zu ignorieren, ebenso die Entdeckung von bedeutenden Gasvorkommen vor der Küste. Die Aktion zeige einmal mehr, wie die Ratingagenturen die europäische Schuldenkrise verschlimmerten.

Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann kritisierte die Entscheidung von S&P, seinem Land die Top-Bonitätsnote zu entziehen. Seine Koalitionsregierung arbeite an einem Sparpaket, sagte er. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Faymann, dass die ökonomischen Daten Österreichs weiter sehr gut seien. Die Entscheidung von S&P zeige aber, dass Österreich unabhängiger von den Finanzmärkten werden müsse.

Nachdem S&P bereits seit Mitte Dezember mit der Herabstufung gedroht hatte, geben sich viele Analysten wenig überrascht. "Die Leute wussten, dass es kommen wird, und es war nur eine Agentur", sagte Marc Chandler, Chef der Abteilung für weltweite Währungsstrategie bei Browns Brothers Harriman. "Das sorgt einen oder zwei Tage für schlechte Schlagzeilen", sagte Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics. "Aber es gibt keine neuen Informationen. Das wird schnell wieder vergessen sein."

Die Meisten seien ohnehin davon ausgegangen, dass Frankreich nicht mehr lange ein AAA-Land bleiben würde, sagte Fred Cannon, Chef-Anlage-Stratege bei Keefe, Bruyette & Woods.

(APD/dpa)
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