Umstrittene Disziplinarkammer Polen gibt im Streit mit der EU nach

Warschau · Die EU und Polen streiten seit Jahren über die polnischen Justizreformen. In der Warschauer Regierung herrscht keine völlige Einigkeit über Zugeständnisse an Brüssel. Zunächst soll aber ein besonders heißes Eisen abgekühlt werden.

 Abgeordnete nehmen an einer Sitzung des polnischen Parlaments teil (Symbolbild).

Abgeordnete nehmen an einer Sitzung des polnischen Parlaments teil (Symbolbild).

Foto: dpa/Grzegorz Banaszak

Im Dauerstreit mit der EU-Kommission über sein Justizsystem hat Polen in einem wichtigen Punkt ein Einlenken angedeutet. Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski kündigte an, die umstrittene Disziplinarkammer zur Maßregelung von Richtern abzuschaffen. „Wir werden die Disziplinarkammer in ihrer jetzigen Form auflösen und damit verschwindet auch dieses Streitthema“, sagte Kaczynski am Samstag der Nachrichtenagentur PAP. Der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS gilt als der starke Mann Polens. Die EU nahm die Ankündigung zurückhaltend zur Kenntnis.

Die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am Obersten Gericht des Landes kann Richter und Staatsanwälte bestrafen oder entlassen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Mitte Juli geurteilt, dass die Institution gegen EU-Recht verstoße, weil sie „nicht alle Garantien für Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“ biete. Die für die Einhaltung von EU-Recht zuständige EU-Kommission setzte Polen danach eine Frist bis Mitte August, um die Entscheidung umzusetzen. Ansonsten drohen Strafzahlungen.

Im Gespräch mit PAP verteidigte Kaczynski die Justizreform und wies das Urteil zurück. „Ich erkenne solche Urteile nicht an“, betonte der Vizepremier am Samstag. Der EU-Gerichtshof überschreite seine Kompetenzen, indem er sich in nationale Hoheitsrechte einmische. Er räumte dann jedoch ein, die Disziplinkammer sollte nach Regierungsplänen ohnehin aufgelöst werden, weil sie die Erwartungen nicht erfülle. Das habe man schon vor dem EuGH-Urteil diskutiert, erklärte Kaczynski. Er deutete allerdings an, dass es Überlegungen zu anderen Wegen der Richter-Disziplinierung gebe. So könne man etwa die Immunität von Richtern bei Gesetzesverstößen aufheben.

Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend auf Polens Ankündigungen. Eine Sprecherin sagte am Samstagabend in Brüssel, man habe die Anordnungen zur Kenntnis genommen und werde sie sorgfältig analysieren. Die Kommission erwarte weiterhin, dass Polen bis zum 16. August darüber informiere, wie die Umsetzung von Entscheidungen des EuGH garantiert werde. Im jahrelangen Streit über Justizreformen der Warschauer Regierung hat die EU-Kommission bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Am Freitag war bereits bekannt geworden, dass die Präsidentin des Obersten Gerichts in Polen, Malgorzata Manowska, die Disziplinarkammer von einigen Aufgaben entbunden hatte. Der Kammer sollten keine neuen Disziplinarverfahren mehr übertragen werden. Das brachte ihr aber sogleich scharfe Kritik von Justizminister Zbigniew Ziobro ein, was auf Uneinigkeit innerhalb der Regierung hinweist.

Ziobro, der zugleich Parteichef der PiS-Abspaltung Solidarisches Polen ist, warf der Gerichtspräsidentin einen unnötigen Kniefall vor Brüssel vor: „Als Justizminister erkläre ich, dass diese Anordnungen polnischem Recht widersprechen - sowohl auf Gesetzes- als auch auf Verfassungsebene“, teilte der 50-Jährige mit. Manowska sei der Herausforderung nicht gerecht geworden, sich gegen „Drohungen und Druck“ aus dem Ausland zu wehren.

(felt/dpa)
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