Umstrittene Anleihekäufe Verfassungsrichter zweifeln an EZB-Kurs

Berlin/Karlsruhe · Anders als der Europäische Gerichtshof hält Karlsruhe die umstrittenen Anleihekäufe der Notenbank für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Auch Bundesbankchef Weidmann kritisiert die EZB. Das Urteil wird im Frühsommer erwartet.

 Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eröffnet mündliche Verhandlung zu Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank.

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eröffnet mündliche Verhandlung zu Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank.

Foto: dpa, ude hpl

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat vor dem Bundesverfassungsgericht seine Vorbehalte gegen den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Euro-Schuldenkrise bekräftigt. Bei Staatsanleihenkäufen unter dem sogenannten OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") aus dem Jahr 2012 würden die Risiken vollständig vergemeinschaftet und letzten Endes auf die Steuerzahler verteilt, sagte Weidmann am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung in Karlsruhe. Ein Urteil des Gerichts über die Frage, ob die Anleihekäufe mit dem Grundgesetz vereinbar sind, wird im Frühsommer erwartet. Bis dahin will das Gericht die Euro-Rettungspolitik nochmals genau unter die Lupe nehmen, wie Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt signalisierte.

Worum geht es in dem Verfahren?

Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise hatte EZB-Präsident Mario Draghi verkündet, die Notenbank werde "alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Das damals beschlossene zentrale Instrument zur Verteidigung des Euros gegen spekulative Attacken war das OMT: Indem die Notenbank notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten aufgekauft hätte, hat sie jede Spekulation auf eine Pleite dieser Staaten obsolet gemacht. Die OMT-Ankündigung brachte die Wende in der Euro-Krise. Es musste nie angewendet werden, weil die Spekulanten vom Euro abließen. Dennoch hat das OMT zahlreiche Verfassungsbeschwerden ausgelöst, darunter eine Sammelklage von 11.000 Bürgern. Ihre Sorge: Die EZB lädt den Steuerzahlern, die selbst nicht gefragt wurden, eine Hypothek auf, denn diese haften für den Fall, dass die EZB selbst pleitegeht.

Wie bewertete das Verfassungsgericht bisher die Anleihekäufe?

Anfang 2014 kam es bereits zu dem Schluss, dass die EZB keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben dürfe. Sie verstoße gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung, überschreite ihre Kompetenzen und gefährde ihre Unabhängigkeit. Mit dem OMT-Programm verstoße die EZB gegen EU-Verträge und das Grundgesetz. Zur endgültigen Klärung der EU-Rechtslage legte Karlsruhe das Thema dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

Wie hat der EuGH geurteilt?

Die Luxemburger Richter entschieden Mitte 2015 anders als das Verfassungsgericht, dass die EZB-Politik mit EU-Verträgen vereinbar seien. Die Schritte müssten gut begründet sein und dürften keine wirtschaftspolitische Maßnahme sein.

Wie argumentierten die Kläger in Karlsruhe?

Die EZB dringe "in offenkundiger und dreister Weise weit in das Gebiet" ein, für das nach den EU-Verträgen allein die Mitgliedstaaten zuständig seien, erklärte Dietrich Murswiek, der Prozessbevollmächtigte des Klägers Peter Gauweiler. "Aus der Währungsunion macht die EZB eine Haftungsunion." Gregor Gysi, dessen Linksfraktion ebenfalls eine Klage eingereicht hat, sagte: "Wir als Bundestag haben die EZB nicht berechtigt, Erfinder, Durchsetzer und Kontrolleur zugleich zu sein."

Was sagt die Bundesregierung?

Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) bewzeifelte, ob OMT wirklich erhebliche Haushaltsrisiken für Deutschland mit sich bringen würde. Wenn die EZB Verluste machen würde, würde der Bundesbankgewinn schwinden. "Der Bundesbankgewinn macht aber nicht viel aus", so Spahn. Am Schluss noch ein Fußballvergleich: Statt eines "Endspiels", wie Gauweilers Prozessvertreter Murswiek sagte, warb Spahn für ein "Freundschaftsspiel" zwischen Karlsruhe und dem EuGH.

Was sagt die EZB?

EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch sagte, allein die Ankündigung des sogenannten OMT-Programms habe die Situation verbessert. "Heute ist der Euroraum in einem langsamen, aber stetigen Aufschwung", sagte Mersch . Der EZB-Rat habe zudem Vorkehrungen getroffen, um die mit dem Programm verbundenen Risiken zu begrenzen. Mersch sagte aber auch: "Eine Währungsunion ist eine Haftungsgemeinschaft." Der Notenbank müsse es möglich bleiben, über geldpolitische Maßnahmen unabhängig zu entscheiden.

Welches Urteil zeichnet sich nach der mündlichen Verhandlung ab?

Das Verfassungsgericht will sich nun Zeit lassen, um die EZB-Politik zu prüfen. Am Ende dürfte es der EZB seinen Segen geben, erwarten Beobachter. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle signalisierte, dass man einen scharfen Bruch mit dem EuGH vermeiden wolle. Zudem betonte er, dass die Karlsruher Auflagen zur EZB-Politik vom EuGH bereits berücksichtigt worden seien. Wirtschaftsweise fordern, das Gericht solle sein Urteil wenigstens nutzen, um deutsche Vorbehalte festzuschreiben. "Wir sind dafür, dass das BVG ein Signal nach Luxemburg und Frankfurt sendet, dass man nicht einfach machen kann, was man will", sagte Lars Feld.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort