Europawahl SPD-Plakate sorgen für Streit
Düsseldorf (RP). Die SPD greift die politischen Gegner mit einer unkonventionellen Kampagne zur Europawahl an. Die NRW-CDU spricht von einem "Armutszeugnis", die FDP sieht die "politische Kultur" in Gefahr. Wie frech dürfen Werbebotschaften sein, wenn sie Erfolg haben sollen?
Der Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen schüttelt den Kopf. "Fremdscham" empfinde er beim Anblick der SPD-Plakatmotive, erklärt Christian Lindner. "Die Genossen setzen auf pure Negativwerbung und beschädigen damit die politische Kultur in Deutschland", kritisiert der Wermelskirchener.
Der Generalsekretär ärgert sich über die Plakate der SPD zur Europawahl. "Finanzhaie würden FDP wählen", so lautet der Slogan über einem grinsenden Haikopf, der Schlips und Krawatte wie ein Banker trägt. Auch die CDU erachtet das Motiv als "Armutszeugnis". "Die Buchstaben SPD stehen heute offensichtlich für Schimpfen, Pöbeln und Dreckwerfen", sagt Hendrik Wüst, der Generalsekretär der NRW-CDU. "Was sollen diese Mätzchen in Zeiten der Krise? So was verschreckt doch nur und erzeugt Verdrossenheit."
Die Union wurde von der SPD mit dem Slogan "Dumpinglöhne würden CDU wählen" bedacht. "Heiße Luft würde die Linke wählen", heißt es mit Bezug auf die Linkspartei. "Ich bin sehr zufrieden mit diesem ungewöhnlichen Ansatz", sagt Kajo Wasserhövel, der Wahlkampfmanager der SPD, zu der Kampagne. "Bei der Europawahl 2004 hatten wir eine sehr niedrige Wahlbeteiligung. Diesmal muss es besser werden, und die werbliche Linie wird helfen, Aufmerksamkeit zu schaffen." Man führe keinen "säuselnden" Wahlkampf. "Wir sind witzig und auch ein wenig provozierend."
In der Fachwelt ist der Erfolg der Abgrenzungs-Strategie indessen umstritten. "In Krisenzeiten wollen die Menschen eher wissen, wofür Politiker stehen — und nicht wogegen sie sind", ist sich der Medienexperte Joe Groebel sicher. "Negativ-Botschaften kommen erfahrungsgemäß nicht so gut an", weiß der Professor aus Erfahrung. So werde zum Beispiel die Anti-Raucher-Kampagne auch von Nichtrauchern oft als unangenehm aufgefasst. "Ich glaube, dass die SPD-Kampagne ein Schuss in den Ofen ist", sagt der Direktor des Deutschen Digital-Instituts Berlin. Die eher konservativen Slogans "Für Deutschland in Europa" (FDP) und "Wir in Europa" (CDU) seien zwar auch nicht optimal, würden aber "zumindest die eigenen Anhänger mobilisieren".
Auch Marion Müller, Professorin für Massenkommunikation an der privaten Jacobs University Bremen, beurteilt die SPD-Kampagne kritisch. "Sicherlich sind witzige Slogans, die eingängig sind, besser als müde Kalauer oder abgestandene Parolen", sagt die Wissenschaftlerin. Doch der Kampagne fehle der konkrete Bezug zur Europa-Abstimmung. "Den Wählern ist mal wieder nicht klar, was und wen sie bei der Europawahl wählen — daran ändert auch die neueste SPD-Kampagne nichts." Die Motive erinnerten vielmehr an "ein Bilderrätsel für Anfänger".
Mittlerweile haben die SPD-Plakate die Fantasie der Gegner angeregt. Im Internet kursieren bereits Verulkungen der Kampagne. "Pleitegeier würden SPD wählen", lautet die Antwort der Liberalen auf das Haifisch-Bild.