Frisches Geld von den Finanzmärkten Spanien kommt mit blauem Auge davon

Madrid/London · Spanien kann sich trotz aller Befürchtungen weiter am Kapitalmarkt mit Geld versorgen. Das hoch verschuldete Land sammelte am Donnerstag 2,1 Milliarden Euro ein. Die Zinsen stiegen zwar auf Rekordniveau, blieben aber unter der kritischen Marke.

 Spanien konnte sich am Kreditmarkt mit frischem Geld versorgen, ohne die kritische Zinsmarke zu erreichen.

Spanien konnte sich am Kreditmarkt mit frischem Geld versorgen, ohne die kritische Zinsmarke zu erreichen.

Foto: dpa, Karl-Josef Hildenbrand

Die Rendite für zehnjährige Anleihen kletterte auf gut sechs Prozent. Skeptiker hatten erwartet, dass sie die kritische Marke von sieben Prozent erreichen könnten. Die mit Spannung erwartete Emission stieß am Finanzmarkt auf ein positives Echo.

"Spanien kann sich eindeutig noch Geld am Markt leihen, muss für dieses Privileg aber hohe Zinsen zahlen", sagte Rabobank-Analyst Lyn Graham-Taylor.

Spaniens Finanzminister Christobal Montoro gestand am Dienstag erstmals offen Probleme seines Landes bei der Geldbeschaffung ein und verunsicherte damit die Finanzmärkte weiter. Bisher wehrt sich Spanien strikt, unter den Rettungsschirm seiner Euro-Partner zu schlüpfen. Der Regierung in Madrid machen die hohe Arbeitslosigkeit, die finanzschwachen Regionen und der taumelnde Bankensektor zu schaffen.

Rajoy soll Rede und Antwort stehen

Das einstige Boomland Spanien mutiert nun neben Griechenland zur größten Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone und damit auch zur Bremse für die Weltkonjunktur. Deshalb erhöhen Europas große Handelspartner im Gezerre um Finanzhilfen für Spaniens Banken den Druck. Die Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer hat den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zum G20-Gipfel am 18. und 19. Juni in Mexiko eingeladen. Angesichts der Krise wirkt dies wie eine Vorladung. Spanien ist kein G20-Mitglied, nimmt aber als Gast regelmäßig an den Spitzentreffen teil.

Der mexikanische Finanzstaatssekretär Gerardo Rodriguez Regordosa sagte der japanischen Wirtschaftszeitung "Nikkei", die G20 würden nachdrücklich auf eine Marktstabilisierung pochen und die Situation der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone ansprechen. Vor allem die USA, wo Präsident Barack Obama um seine Wiederwahl bangt, befürchten, dass die Zuspitzung der europäischen Schuldenkrise auch die heimische Konjunktur bremsen könnte. Der britische Finanzminister George Osborne rief die Euro-Länder zu einer Finanzspritze für die angeschlagenen spanischen Kreditinstitute auf. Wie das geschehen solle, ließ Osborne offen. "Das muss eine Angelegenheit der spanischen Regierung und der Euro-Zone sein", sagte er dem BBC Radio 4.

Merkel setzt sich für Integration ein

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte, der EU-Gipfel Ende Juni solle ein klares Bekenntnis für "mehr Europa" abgeben und einen Zeitplan für mehr Reformen beschließen. "Wir brauchen nicht nur eine Währungsunion, sondern wir brauchen auch eine sogenannte Fiskalunion, also mehr gemeinsame Haushaltspolitik", sagte Merkel der ARD. Sie schraubte die Erwartungen an den EU-Gipfel herunter. "Ich glaube nicht, dass es einen einzigen Rat gibt, auf dem der große Wurf entstehen wird."

An den Finanzmärkten wachsen die Hoffnungen auf eine rasche Rettung der spanischen Banken. Dies habe sich positiv auf die Emission der Geldmarktpapiere ausgewirkt, sagte Alessandro Giansanti von ING in Amsterdam. "In den vergangenen Tagen hat sich das Umfeld für spanische Anleihen verbessert."

Hohe Nachfrage

Die Nachfrage der Investoren nach den zehnjährigen Papieren war kräftig, die Auktion 3,3-fach überzeichnet. Zugleich stiegen die Renditen für Papiere mit Laufzeit bis 2014 und 2016 deutlich. "Eine gute Auktion von heute kehrt den Trend steigender Renditen nicht um", mahnte Credit-Agricole-Analyst Peter Chatwell.

Auf Kritik stieß der Alarmruf von Finanzminister Montoro.
"Wenn die Auktion gescheitert wäre, hätte es jetzt 100-prozentige Sicherheit gegeben, dass Spanien einen Bail-out braucht - und zwar einen richtigen", sagte Lloyds-Zinsstratege Achilleas Georgolopoulos.

Entscheidung über Rettungsfonds steht an

Die Regierung in Madrid will erst in einigen Wochen über eine Anzapfung des Euro-Rettungsfonds entscheiden, wenn Ergebnisse einer Prüfung der Bankbilanzen durch unabhängige Wirtschaftsprüfer und den Internationalen Währungsfonds (IWF) vorliegen. Der IWF taxiert den zusätzlichen Kapitalbedarf der angeschlagenen Banken auf mindestens 40 Milliarden Euro, sagten zwei Personen aus dem Finanzsektor zu Reuters. Alles in allem würden laut IWF-Bericht 90 Milliarden Euro benötigt, um den Bankensektor auf Vordermann zu bringen.

Finnen: Spanien kann es schaffen

Der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen äußerte die Überzeugung, dass Spanien ohne Rettungspaket auskommen kann. Die spanischen Banken sollten zunächst versuchen, sich selbst Geld an den Kapitalmärkten zu besorgen und dann von der Regierung, sagte Katainen im Reuters-Interview. Wenn all dies misslinge, "dann werden wir einen anderen Weg finden müssen, um die Rekapitalisierung zu ermöglichen", sagte er.

Anders als Spanien gelang es Frankreich, sich am Kapitalmarkt so günstig zu verschulden wie nie. Bei einer Auktion fielen die Zinsen für 10-, 15- und 50-jährige Staatsanleihen auf Rekordtiefs.

(REU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort