Beratungen zum Finanztableau laufen So will der EU-Ratschef den Durchbruch beim Gipfel erreichen

Brüssel · EU-Ratspräsident Charles Michel will mit einem neuen Kompromisspapier am Montagabend den Durchbruch auf dem EU-Finanzgipfel erreichen. Michel legte den 27 EU-Regierungen nach stundenlangen Beratungen am vierten Gipfeltag ein Papier vor, das alle zufrieden stellen soll.

 Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates.

Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates.

Foto: dpa/Francisco Seco

Dieses sieht zum einen die vereinbarten 390 Milliarden Euro Zuschüsse für besonders von der Corona-Krise betroffene Staaten vorsieht. Zusammen mit 360 Milliarden Euro Krediten würde der geplante Aufbaufonds dann 750 Milliarden Euro umfassen. Zum anderen soll der normale EU-Haushalt von 2021 bis 2027 1,074 Billionen Euro umfassen. Michel schlägt zudem die Einführung einer Plastiksteuer vor und will die Kommission eine CO2-Grenzsteuer ausarbeiten lassen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs sollen das Papier nun beim Abendessen beraten. Sie hatten zuvor erneut den ganzen Tag vor allem über die Frage der Konditionalität für den Aufbaufonds und die Rechtsstaatlichkeit gerungen. "Wir haben gestern Nacht nach langer Verhandlung einen Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet", hatte Merkel am Morgen gesagt. "Das ist ein Fortschritt und gibt Hoffnung, dass es heute zu einer Einigung kommt." Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte einen "Geist des Kompromisses" aus. EU-Ratspräsident Michel hatte am Abend davon gesprochen, dass eine Einigung möglich sei, auch wenn "die letzten Schritte die schwierigsten" seien.

Der tagelange Streit über die Höhe der Zuschüsse hatte vor allem zwischen nord- und südeuropäischen EU-Staaten getobt. Insbesondere die sogenannten "Sparsamen Vier" - Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden - wurden als Blockierer einer Einigung auf dem eigentlich nur bis vergangenen Samstag angesetzten Gipfel kritisiert. In den Morgenstunden zu Montag schlug Macron nach Angaben eines Diplomaten verärgert mit der Faust auf den Tisch.

Nun schlägt Michel nach Absprache mit den Regierungen vor, dass die EU-Kommission die nationalen Pläne für die Ausgaben der Zuschüsse innerhalb von zwei Monaten prüfen soll. Bedingung für eine Zustimmung sollten Ausgaben für Klima- und Digitalisierungsmaßnahmen sein. Der EU-Rat soll der Kommissionsbewertung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

Um die Zustimmung der Nettozahler zu dem von Michel mit 1,074 Billionen Euro geplanten EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 zu sichern, schlägt er Rabatte in Höhe von rund 7,5 Milliarden für Deutschland, die Niederlande, Österreich und Dänemark vor. Alleine bei Deutschland als größtem Beitragszahler soll dies 3,6 Milliarden Euro für die Finanzperiode 2021 bis 2027 ausmachen. Die Bundesregierung erwartet dennoch stark ansteigende jährliche Abführungen an Brüssel.

Die Anleihen von 750 Milliarden Euro, die die EU-Kommission für den Aufbaufonds aufnehmen soll, sollen bis 2058 vollständig zurückgezahlt werden. Die Schuldentilgung soll vor Ende der Finanzperiode bis 2027 beginnen - vorausgesetzt die EU verfügt bis dahin über zusätzliche Einnahmequellen. Michel schlägt die Einführung einer Plastiksteuer ab dem 1. Januar 2021 vor sowie die Einführung einer CO2-Grenzsteuer für Importe aus Staaten mit geringeren Klimaschutzauflagen ab 2023.

Neben dem Nord-Süd-Streit gab es auch einen West-Ost-Disput über die Frage, ob Zahlungen aus dem EU-Haushalt künftig an Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden sollen. Dies lehnten Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Ungarns Regierungschef Viktor Orban vehement ab. Beiden osteuropäischen Ländern wird vorgeworfen, mit umstrittenen Justiz- und Medienreformen rechtsstaatliche Prinzipien der EU zu verletzen. Orban wiederum sieht eine "Politisierung" der Debatte, weil bisher der Europäische Gerichtshof darüber entscheide, ob die Rechtsstaatlichkeit verletzt werde oder nicht. Orban hatte Rutte direkt angegriffen: "Ich mag keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, aber der Niederländer ist der Verantwortliche für das ganze Chaos."

Michel schlägt nun ein neues System vor, in dem die EU-Kommission die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien im Zusammenhang mit der Nutzung von EU-Geldern überwacht. Sollte es Probleme geben, soll die EU-Kommission diese ansprechen. "Im Falle solcher Mängel wird die Kommission angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen vorschlagen, die vom Rat mit qualifizierter Mehrheit gebilligt werden müssen", heißt es in dem Papier. EU-Diplomaten setzen auf die Zustimmung der Osteuropäer, mit denen etwa Merkel und Macron am Montag erneut gesprochen hatten.

Sollte es auf dem EU-Gipfel zu einer Einigung kommen, müssen noch das Europäische Parlament sowie die nationalen Parlamente zustimmen.

(felt/Reuters)
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