Interview mit dem EU-Parlamentspräsidenten Schulz: "Griechenland wird im Euro bleiben"

Berlin · Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz (SPD) zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB), zum Rettungsschirm-Urteil des Verfassungsgerichts in der kommenden Woche und zur Kanzlerkandidaten-Frage seiner Partei

 Der deutsche EU-Parlamentspräsident martin Schulz hat sich für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone ausgesprochen.

Der deutsche EU-Parlamentspräsident martin Schulz hat sich für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone ausgesprochen.

Foto: afp, GEORGES GOBET

Ist es ein Dammbruch in der Euro-Politik, dass die Europäische Zentralbank nun unbegrenzt Anleihen der hoch verschuldeten Euro-Staaten kaufen will?

Schulz Nein, das ist kein Dammbruch. Es ist aber das Ergebnis der Weigerung der Staats- und Regierungschefs bessere Entscheidungen zu fällen, die zum gleichen Ergebnis geführt hätten.

Was wäre besser gewesen?

Schulz Bessere Instrumente zur Stabilisierung der Währung wären ein gemeinsamer europäischer Schuldentilgungsfonds oder eine Banklizenz für den Rettungsschirm ESM gewesen. Diese Maßnahmen hätten die Zinsspekulation begrenzt, weil sich die Staaten dann zu günstigeren Zinskonditionen Geld hätten besorgen können. Jetzt bleibt der EZB nichts anderes übrig.

Die Anleihekäufe der EZB sind also eine Notlösung?

Schulz Es ist eine Letzter-Ausweg-Strategie, die man nicht permanent wird betreiben können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber die richtige Entscheidung. Das zeigt ja auch die Beruhigung der Zinsmärkte.

EZB-Chef Mario Draghi hat deutlich gemacht, dass er den Euro um jeden Preis retten will. Muss nicht vielmehr die Politik über den Euro entscheiden als ein demokratisch nicht legitimierter Zentralbank-Chef?

Schulz Ich finde Ihre Frage erstaunlich. Mario Draghi ist der Präsident der Notenbank. Der kann doch nicht sagen: Wenn der Euro scheitert, ist mir das egal. Er muss die Euro-Rettung um jeden Preis fordern, weil unter den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, beispielsweise in den Niederlanden und in Finnland, einige sitzen, die den Eindruck erwecken, sie würden ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone in Kauf nehmen. Das Nicht-Bekenntnis zum Euro wirkt dramatisch destabilisierend auf die Euro-Zone.

Welche Folgen wird die Entscheidung der EZB auf die deutsche Wirtschaft und den deutschen Steuerzahler haben?

Schulz Als Exportland profitiert Deutschland am meisten vom Euro. Deshalb ist es in unserem ureigenen Interesse, unsere Währung zu verteidigen. Mit der Entscheidung für Anleihekäufe haben wir Beruhigung an die Zinsmärkte gebracht. Das heißt, Risikostaaten können sich besser refinanzieren. Damit sinkt auch das Risiko für den deutschen Steuerzahler.

In der kommenden Woche entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob Fiskalpakt und ESM-Rettungsschirm mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Was erwarten Sie?

Schulz In seinen vorausgehenden Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass die Risiken für den deutschen Steuerzahler bei den Rettungsschirmen mit unserer Verfassung vereinbar sein müssen. Der Fiskalpakt dient dazu, die Schuldenbremse, wie wir sie in unserem Grundgesetz haben, auf der europäischen Ebene einzuführen. Damit erfüllt der Fiskalpakt eine der zentralen Forderungen des Verfassungsgerichts. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Verfassungsgericht den Fiskalpakt und den ESM-Rettungsschirm passieren lassen wird. Das würde der Logik der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts entsprechen.

Inwieweit durchdringt der einzelne Bundestagsabgeordnete die Entscheidung zu ESM und Fiskalpakt?

Schulz Die Materie ist komplex. Aber ich habe Vertrauen zu meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag.

Wird Griechenland Ende des Jahres noch im Euro sein?

Schulz Ja.

Was macht Sie so sicher?

Schulz Die Troika wird keinen euphorischen, aber sie wird einen Bericht vorlegen, der Fortschritte in Griechenland beschreibt. Dann wird auch die nächste Tranche der Hilfsmittel freigegeben. Zudem gibt es eine Reihe weiterer stabilisierender Faktoren, die helfen, die Krise zu überwinden: Die Beruhigung in den anderen Ländern durch die EZB-Entscheidung, die weiteren Wachstumsimpulse, die im nächsten Rat beschlossen werden, und ein vernünftiger Haushalt, den das EU-Parlament beschließen wird.

Sie sind ja sehr optimistisch . . .

Schulz Ja, wir sollten auch mehr darüber reden, dass beispielsweise das Land mit der größten Wachstumsdynamik in Europa, Polen, in den Euro hinein will. Der Euro ist eine starke Währung, wenn wir ihn stark machen, und er wird vor allem durch politische Spekulation geschwächt.

Kanzlerin Angela Merkel ist bei den Deutschen als Krisenmanagerin sehr beliebt. Wie will die SPD damit im Bundestagswahlkampf 2013 umgehen?

Schulz Die Bundeskanzlerin kann ihre Europapolitik nicht mit ihrer Koalition machen. Bei den letzten wesentlichen Entscheidungen hatte sie keine Kanzlermehrheit im Bundestag. Das ist ihre Achillesferse.

Aber die SPD wird doch selbst im Wahlkampf nicht die Staatsräson aus dem Auge verlieren. Oder?

Schulz Wir werden keinen Bundestagswahlkampf über die Europapolitik führen. Es wird vielmehr um die Renten, um vernünftig bezahlte Arbeitsplätze, um eine moderne Familienpolitik, um Wirtschaftswachstum und technologischen Fortschritt, um Bildung und um soziale Gerechtigkeit gehen.

Wer kann die Themen am besten nach vorne bringen, Fraktionschef Steinmeier, Ex-Finanzminister Steinbrück oder Parteichef Gabriel?

Schulz Wir haben drei hervorragende Kandidaten, und einer davon wird der nächste Bundeskanzler werden.

Eva Quadbeck führte das Interview

(qua)
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