Die Iberer und die Euro-Krise Schuldenland Spanien

Madrid · Trotz der Ankündigung der Regierung, weitere zehn Milliarden Euro einzusparen, sind die Zinsen für Zehn-Jahres-Anleihen auf einen Jahreshöchstwert gestiegen. Droht Spanien der Finanzkollaps?

2011: Machtwechsel in Spanien
8 Bilder

2011: Machtwechsel in Spanien

8 Bilder

Die Finanzmärkte geben keine Ruhe. Vor Ostern hatte Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy einen Sparhaushalt vorgelegt, der das Haushaltsdefizit um 27 Milliarden Euro von 8,5 auf 5,3 Prozent reduzieren soll, doch die Finanzmärkte hat das nicht beruhigt. Jetzt kündigt er an, noch mal zehn Milliarden Euro beim Gesundheitssystem und bei den Hochschulen einsparen zu wollen. Trotzdem sind die Zinsen für Zehn-Jahres-Anleihen auf 5,9 Prozent gestiegen, den höchsten Wert dieses Jahres. Erst am Mittwoch haben sich die Märkte nach Erklärungen aus der Europäischen Zentralbank wieder beruhigt.

Wie gefährlich sind die Marktspekulationen?

Rajoy sieht in seinem diesjährigen Haushalt mehr als 28 Milliarden Euro für Zinszahlungen vor. Das entspricht fast genau der Summe, um die er das Haushaltsdefizit in diesem Jahr senken will. Je höher die Zinsen steigen, umso teurer wird es für den Staat, sich auf den Kapitalmärkten mit frischem Geld zu versorgen, um seine Ausgaben zu decken und Schulden zurückzuzahlen. Experten sehen bei sechs bis sieben Prozent eine kritische Grenze erreicht, ab der sich Spanien nicht mehr selbst finanzieren könnte.

Warum hat Spanien so hohe Schulden?

Die Regierungen haben in den vergangenen Jahren vernünftig gewirtschaftet und vor der Finanzkrise lange Jahre sogar Haushalte mit Überschüssen vorgelegt. Stark verschuldet sind hingegen die Haushalte und Unternehmen. Denn mit der Einführung des Euro sanken 2002 schlagartig die Zinsen für Wohnungskredite von über zehn auf drei, vier Prozent. Die Spanier, die schon immer lieber in ein eigenes Heim investiert haben, statt sich eines zu mieten, nahmen das billige Geld dankend an. Das führte zu einer Immobilienblase, die 2008 platzte. Die Steuereinnahmen aus den Immobiliengeschäften fielen in den Keller, das Haushaltsdefizit stieg rasant an, von 40 auf 70 Prozent, viele Unternehmen gingen pleite. Heute haben Unternehmen und Privathaushalte Schulden von rund zwei Billionen Euro.

Was passiert, wenn diese Kredite nicht mehr bedient werden?

Die Kreditausfälle lagen zum Jahresbeginn noch bei acht Prozent. Die spanische Regierung hat im Rahmen einer Finanzreform die Banken gezwungen, für den Fall weiterer Ausfälle ihre Rückstellungen um insgesamt 50 Milliarden Euro zu erhöhen. Dazu stellt sie zwar einen Hilfsfonds zur Verfügung. Doch gleichzeitig will sie kleinere Banken auch zu Fusionen drängen. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte jedoch auch im Wahlkampf schon gesagt, wenn Europa Geld zur Sanierung der spanischen Banken bereitstellt, dies anzunehmen. Damit würde zwar der spanische Staat zwar nicht formell unter den Rettungsschirm flüchten, Europa wäre jedoch an einer Sanierung der spanischen Banken beteiligt.

Was tut die Regierung gegen diese Entwicklung?

Die Regierung Rajoy versucht auf der einen Seite, mit Sparmaßnahmen den Finanzbedarf des Staatshaushalts zu senken und das Vertrauen der Anleger in das Land wiederzugewinnen. Eine gesetzliche Schuldenbremse zwingt sowohl den Staat als auch die Regionen und Kommunen zu mehr Haushaltsdisziplin. Gleichzeitig versucht die Regierung, mit Strukturreformen wie einer Finanzreform oder einer Arbeitsmarktreform die Grundlagen für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung zu legen.

Wäre ein Austritt Spaniens aus dem Euro eine Alternative?

Ein Austritt aus dem Euro wäre für Finanzexperten sogar der schlimmste Fall, der eintreten könnte. Volkswirt Fernando Pampillón von der Sparkassenstiftung Funcas weist darauf hin, dass die Spanier ihre Kreditverträge ja in Euro abgeschlossen haben. Sie würden folglich wieder Pesetas verdienen, müssten ihre Kredite aber in Euro zurückbezahlen. Auch die Banken hätten dann wieder Pesetas als Einlagen, müssten im Ausland aber ihre Schulden in Euro bezahlen.

Spanien ist also in einer ähnlichen Situation wie Griechenland?

Spaniens Volkswirtschaft ist deutlich dynamischer. Der Telekommunikationsriese Telefónica, mehrere Energieunternehmen wie Endesa oder der Ölkonzern Repsol-YPF sind auf den Weltmärkten tätig, insbesondere in der Boomregion Lateinamerika. Trotz der Probleme vieler kleiner Kreditinstitute zählen auch die Großbanken wie Santander und BBVA zu den größten Europas und konnten sich mit Rückstellungen aus eigenen Mitteln gegen Kreditausfälle absichern. Die spanischen Exporte legen zu. Dies alles stabilisiert das Land.

Welche Konsequenzen hat dies für den Tourismus?

Die Krise hat zwar zu einer geringen Inlandsnachfrage geführt. Das ist für die Konjunktur schlecht. Für Touristen bedeutet dies aber stabile Preise, nachdem vor allem in den Küstenregionen Hotels und Restaurants sehr teuer geworden waren. Auch Urlauber sollten die Beschränkung von Bar-Geschäften auf Beträge von bis zu 2500 Euro beachten. Sie ist eine der Maßnahmen zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft.

(das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort