Auf dem Weg in ein neues Europa Schäuble fordert mehr Kompetenz für Brüssel

Berlin · Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat mehr Entscheidungsgewalt für das EU-Parlament gefordert. Auch eine baldige Volksabstimmung über eine neue deutsche Verfassung hält er für möglich.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

"Bislang haben die Mitgliedsstaaten in Europa fast immer das letzte Wort. Das kann nicht so bleiben", sagte Schäuble dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" laut einem Vorabbericht vom Samstag. "Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann."

Um dies zu legitimieren, schlug er vor, den Präsidenten der EU-Kommission direkt wählen zu lassen. Zudem müsse das EU-Parlament gestärkt werden, indem es das Recht zu Gesetzesinitiativen bekomme. Auch schlug er eine Vertretung der Länder nach Vorbild des Bundesrats oder US-Senats vor, in der Gesetze genauso wie im Parlament eine Mehrheit finden müssten.

Das Europa der Zukunft werde aber kein föderaler Staat sein nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik. "Es wird eine eigene Struktur haben. Das ist ein hochspannender Versuch."

Angesichts einer notwendigen weiteren politischen Integration der EU-Mitgliedsstaaten hält es Schäuble dem "Spiegel" zufolge für möglich, dass schon in wenigen Jahren ein neues Grundgesetz zur Abstimmung stehen könnte. "Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher", sagte Schäuble dem Magazin auf die Frage nach den Grenzen der deutschen Verfassung und einem möglichen Europa-Referendum.

"Die Welt rückt immer enger zusammen"

"Wann es so weit sein wird, weiß ich nicht, weiß wohl keiner", so der Minister. Auf dem EU-Gipfel in der kommenden Woche würden Vorschläge für eine vertiefte Integration vorgestellt, so Schäuble.

Er warnte zugleich davor, die gemeinsame Währung aufs Spiel zu setzen. Es bestehe "die Gefahr, dass bei einem Auseinanderbrechen des Euro" viele Errungenschaften wie der gemeinsame Binnenmarkt oder die Reisefreiheit in Frage gestellt würden. "Aber ein Auseinanderbrechen der EU wäre doch absurd. Die Welt rückt immer enger zusammen, und in Europa würde jedes Land wieder seine eigenen Wege gehen? Das kann, darf und wird nicht sein!", sagte Schäuble.

Der Minister lehnte die umstrittenen Eurobonds weiterhin ab, solange es keine Fiskalunion gebe, in der Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abträten. Auf die Frage, wie die Fiskalunion aussehen müsse, damit Deutschland europäische Staatsanleihen akzeptiere, sagte er: "Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. Wofür die Länder das bewilligte Geld ausgeben würden [...], bliebe ihnen innerhalb der genehmigten Obergrenze überlassen."

(dpa/AFP)
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