EU-Parlament Sacharow-Preis an junge Jesidinnen verliehen

Straßburg · Sie wurden vom IS aus ihrem Dorf im Nordirak verschleppt und als Sexsklavinnen ausgebeutet, bis ihnen die Flucht nach Deutschland gelang. Am Dienstag erhielten die 23 und 18 Jahre alten Jesidinnen Nadia Murad und Lamia Hadschi Baschar den Sacharow-Preis für Menschenrechte des Europaparlaments.

 Parlamentspräsident Schulz hat die beiden jungen Jesidinnen ausgezeichnet

Parlamentspräsident Schulz hat die beiden jungen Jesidinnen ausgezeichnet

Foto: rtr, VK/SAA/

Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) würdigte das Engagement der jungen Frauen gegen Menschenhandel und für die Rechte der religiösen Minderheit der Jesiden. Nadia und Lamia seien "außergewöhnliche junge Frauen", sagte Schulz bei der feierlichen Preisverleihung in Straßburg. Sie seien "Heldinnen, die unbeschreibliche Gräueltaten erlitten haben". Das Schicksal dieser beiden Frauen erinnere uns an unsere Pflicht, sagte Schulz weiter. Nach dem Holocaust hätten sich die Europäer "Nie wieder" geschworen. "Und nun sehen wir, wie ganze Völker, Regionen, Städte, Dörfer von der Landkarte verschwinden." Kinder würden verschleppt, Frauen versklavt. "Dennoch weigern wir uns manchmal, diesen Menschen Schutz zu gewähren."

Die beiden Preisträgerinnen, die mit dem traditionellen Kopfschmuck der Jesidinnen im Straßburger Plenarsaal erschienen, riefen die internationale Gemeinschaft zu Solidarität auf. 70.000 Jesiden seien geflohen, die meisten nach Deutschland, sagte Murad. Doch rund 500.000 Jesiden lebten noch im Irak und würden von den Dschihadisten verfolgt. Für sie müssten Schutzzonen unter der Aufsicht der internationalen Gemeinschaft geschaffen werden. "Wir können nicht länger die Opfer von Terror und Menschenhandel sein", sagte Murad.

Die 23-Jährige schilderte, wie IS-Milizen am 15. August 2014 ihr Dorf im Norden des Irak überfielen. Zunächst hätten sie die Männer, die Alten und Behinderten getötet. "Auch meine Mutter wurde getötet, wie andere alte Frauen, die wertlos für den Sexmarkt waren", sagte sie unter Tränen. Murad macht seit September auch als UN-Sonderbotschafterin auf das Schicksal der Jesiden aufmerksam, die jahrhundertelang verfolgt und als Teufelsanbeter diffamiert wurden, aber nach der neuen irakischen Verfassung ihre Religion frei ausüben dürfen.

"Alle Männer wurden getötet, auch mein Vater und mehrere Brüder", berichtete die heute 18 Jahre alte Baschar. Frauen und Kinder seien auf dem Markt zum Verkauf angeboten worden. "Ich wurde vier Mal an Männer verkauft". Die junge Frau konnte schließlich mit einem neun Jahre altem Mädchen fliehen. Auf der Flucht trat das Mädchen auf eine Landmine und wurde getötet, Baschar erlitt schwere Verbrennungen im Gesicht und verlor ein Auge.

Die Auszeichnung durch das Europaparlament gebe ihr Kraft, sagte Baschar weiter. Sie wolle nun die "Stimme der Stimmlosen sein". Noch immer seien rund 3500 jesidische Mädchen und Frauen in der Gewalt von IS-Milizen.

Der nach dem verstorbenen russischen Dissidenten und Physiker Andrej Sacharow benannte und mit 50.000 Euro dotierte Preis wird vom Europaparlament seit 1988 an Persönlichkeiten oder Organisationen verliehen, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.

(crwo/AFP)
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