Wiederzulassung zu internationalen Wettkämpfen Sturm der Entrüstung nach Russland-Empfehlung des IOC

Brüssel · “Moralische Bankrotterklärung“, „Armutszeugnis“, “Verhöhnung der ukrainischen Sportler“ - die Reaktionen von Europa-Politikern auf die Empfehlung des Olympischen Komitees zur Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler zu internationalen Wettkämpfen lassen an Klarheit keine Zweifel aufkommen.

Europa-Fahnen vor dem Belaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel.

Europa-Fahnen vor dem Belaymont-Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel.

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Mit teils scharfer Ablehnung hat die Europa-Politik auf die Ankündigung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) reagiert, russische und belarussische Sportler wieder zu internationalen Sportwettkämpfen zuzulassen. Die Vizepräsidentin des Europa-Parlamentes, Nicola Beer, nannte den Vorschlag von IOC-Präsident Thomas Bach „eine moralische Bankrotterklärung des IOC“. Athleten des Kriegstreibers Putin eine Teilnahme zu eröffnen, habe nichts mit olympischen Werten gemein. „Russischer Kriegspropaganda darf bei den Spielen keinerlei Bühne geboten werden – und es ist naiv zu glauben, dass das Verbot der russischen Flagge und Hymne dies verhindern könne“, sagte die FDP-Politikerin unserer Redaktion.

Wenn es darum gehe, russischen und belarussischen Dissidenten eine Teilnahme zu ermöglichen, dann sei das Olympia-Flüchtlingsteam der richtige Ort dafür, regte Beer weiter an. In dieser Mannschaft treten Sportlerinnen und Sportler an, die nicht für ihr Heimatland antreten können, weil sie daraus geflüchtet sind. Mit einem Bild von sich und seiner olympischen Goldmedaille nahm der ehemalige ukrainische Boxweltmeister Wladimir Klitschko auf Twitter Stellung und warf dem IOC vor, den „Farben und Interessen Russlands“ zu dienen.

Die SPD-Europa-Abgeordnete Petra Kammerevert erklärte, Thomas Bachs Empfehlung sei „eine Verhöhnung der Ukraine, auch der ukrainischen Athletinnen und Athleten und letztlich ein Armutszeugnis für die Integrität des olympischen Sports“. An den Beweggründen für die gegenteilige Empfehlung des IOC vom Februar vergangenen Jahres habe sich „leider nichts geändert“, unterstrich die SPD-Politikerin, die im Europa-Parlament im Sportausschuss arbeitet. Russische Athletinnen und Athleten hätten schon zuvor auch unter neutraler Flagge für Putins Propaganda und Machterhalt gedient.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Terry Reintke, rief die nationalen und internationalen Verbände auf, sich schützend vor die ukrainischen Sportlerinnen und Sportler zu stellen. „Wir müssen unsere volle Solidarität zeigen“, sagte Reintke unserer Redaktion. Das IOK begeht nach ihrer Überzeugung mit seiner Empfehlung einen „großen Fehler“. Anstatt sich klar gegen die Kriegstreiber zu stellen und Solidarität mit den Opfern zu zeigen, verstecke sich das Komitee hinter einem vermeintlichen Neutralitätsgebot. „Auch ohne nationale Symbole wie Fahne oder Hymne werden Kriegstreiber Putin und sein Vasall Lukaschenko die Sportereignisse für ihre Propaganda missbrauchen“, sagte die Grünen-Fraktionschefin voraus. „Der Schutz und die Rechte der massiv bedrohten und benachteiligten Athletinnen und Athleten aus der Ukraine sind für das IOC offenbar nachrangig,“ kritisierte Reintke.

Der Brüsseler CDU-Außenexperte Michael Gahler wandte sich ebenfalls gegen eine Zulassung russischer und belarussischer Sportler. „Solange Russland, mit belarussischer Hilfe, Ukrainer tötet, Städte und Dörfer zerstört, Kinder entführt, trägt kein Veranstalter durch Wegschauen zum Frieden oder zur internationalen Verständigung bei“, unterstrich der Europa-Abgeordnete. „Die Sportler selbst sagen uns doch: Die Jugend der Welt will ein Ende der russischen Verbrecher und echten Frieden, keinen Missbrauch für russische Propaganda“, erläuterte Gahler.

Die Sprecherin der Linken im Europa-Parlament, Martina Michels vertrat eine andere Meinung: „Einzelne Sportlerinnen und Sportler, die ihr Leben dem Sport widmen, sollten nicht für Völkerrechtsverbrechen ihrer Regierung verantwortlich gemacht werden“, sagte die Europa-Abgeordnete. Allerdings müssten für diese wie für alle anderen „strengste Dopingkontrollen greifen“.

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