EU droht Schritte an Polens Regierung brockt sich Kritik für Russland-Kommission ein

Warschau/Brüssel · Früher hat Polen Gasverträge mit Russland verhandelt. Nun setzt die PiS-Regierung eine Kommission ein, die Russlandkontakte untersucht und Politiker für Ämter sperren darf – kurz vor der Wahl.

 Abgeordnete im polnischen Parlament in Warschau am Tag der Verabschiedung des neuen Gesetzes (Archivfoto).

Abgeordnete im polnischen Parlament in Warschau am Tag der Verabschiedung des neuen Gesetzes (Archivfoto).

Foto: AP/Czarek Sokolowski

Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda hat ein Gesetz zur Schaffung einer einflussreichen Kommission unterschrieben, die nach Ansicht von Kritikern antidemokratisch ist und dazu dient, Gegner der Regierungspartei aus der Politik fernzuhalten.

Dem Gesetz zufolge soll eine Kommission prüfen, ob polnische Amtsträger zwischen 2007 und 2022 unter russischem Einfluss Entscheidungen trafen, die der Sicherheit des Landes schadeten. Sie soll auch Strafen verhängen dürfen - beispielsweise Funktionsträger für bis zu zehn Jahre von der Übernahme eines öffentlichen Amtes sperren. Die Kommission soll sich dem Gesetz zufolge aus neun Mitgliedern zusammensetzen, die vom Unterhaus des Parlaments ernannt werden. Dort hat die regierende PiS die Mehrheit. Am 17. September soll die Kommission einen Bericht zu ihren Ermittlungsergebnissen vorlegen - nur Wochen vor der für Oktober oder November erwarteten Parlamentswahl.

Kritiker argumentieren, die Kommission würde gegen das Recht von Bürgerinnen und Bürgern auf einen Prozess vor einem unabhängigen Gericht verstoßen. Duda betonte, die Kommission bekomme keine Macht, irgendjemanden aus dem öffentlichen oder politischen Leben zu verbannen.

Die EU-Kommission sieht das Gesetz mit Sorge und fordert mehr Informationen. „Dieses neue Gesetz gibt Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht, da es einem Verwaltungsorgan erhebliche Befugnisse einräumt, die dazu genutzt werden könnten, Personen von öffentlichen Ämtern auszuschließen“, schrieb EU-Justizkommissar Didier Reynders am Mittwoch in einem Brief an den polnischen Minister für die EU, Szymon Szynkowski vel Sek. Einem Sprecher zufolge wurde das Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, auf Bitte von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesendet.

Reynders forderte Szynkowski vel Sek auf, eine Analyse des Gesetzes „sowie alle relevanten Dokumente, die sich auf das Gesetzgebungsverfahren beziehen, unverzüglich zur Verfügung zu stellen“. Dies umfasse auch die Stellungnahmen von relevanten Beteiligten. „Diese Dokumente werden für die Bewertung der Kommission wichtig sein, um über mögliche nächste Schritte zu entscheiden“, schrieb Reynders. Ihm zufolge war angeboten worden, die Analyse bereitzustellen.

Das polnische Parlament hatte am Freitag ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das von der rechtsgerichteten Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eingebracht worden war. Experten zufolge verstößt die Vorlage gegen die Verfassung. Die Opposition hat Duda aufgefordert, sie abzulehnen.

Schon am Dienstag hatten die EU und die USA Polen wegen des Gesetzes gerügt. Kritiker werfen der nationalkonservativen PiS-Regierung vor, vor der Parlamentswahl im Herbst den früheren Regierungschef und heutigen Oppositionsführer Donald Tusk in Misskredit bringen zu wollen. Das Außenministerium wies die Reaktionen aus dem Ausland als „Fehlinterpretation“ zurück. Der Liberalkonservative Tusk war von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef und später Ratspräsident der EU. Die PiS-Regierung wirft ihm vor, unvorteilhafte Gasverträge mit Russland geschlossen zu haben. Tusk gilt als größter politischer Gegner von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.

Einen Protestaufruf der polnische Opposition gegen das Gesetz für Sonntag konterte die Regierungspartei mit einem Video, das Holocaust-Bilder verwendete und im In- und Ausland für Bestürzung sorgte. Die Partei habe versucht, den Tod von 1,1 Millionen Menschen im deutschen Vernichtungslager Auschwitz für politische Ziele zu instrumentalisieren, kritisierte das Auschwitz-Museum am Mittwoch. „Es ist ein trauriger, schmerzhafter und inakzeptabler Ausdruck der moralischen und intellektuellen Verkommenheit der öffentlichen Debatte.“

Die PiS hatte in dem Spot einen für Sonntag geplanten Protestmarsch gegen ein umstrittenes Gesetz verurteilt und dabei Bilder des früheren Vernichtungslagers gezeigt, darunter das Tor mit dem berüchtigten Schriftzug „Arbeit macht frei“. Dazu wurde in dem 14-Sekunden-Video gefragt: „Wollt ihr wirklich unter diesem Motto laufen?“

Dabei bezog sich die Partei auf die Kritik des Journalisten Tomasz Lis an dem Gesetz, das eine Kommission ins Leben ruft, die den Einfluss Russlands in Polen überprüfen soll. Lis hatte sich der Kritik von USA und EU angeschlossen und getwittert, PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und Präsident Andrzej Duda, der das Gesetz unterzeichnet hat, gehörten ins Gefängnis. Dabei verwendete er das polnische Wort Komora, das sowohl mit Zelle als auch mit Kammer übersetzt werden kann. Letzteres verbinden viele Polen mit den Gaskammern der Nazis.

Lis sprach von einer absurden Interpretation. „Es ist offensichtlich, dass ich an eine Zelle gedacht habe“, sagte Lis. Er hätte jedoch vorhersehen müssen, dass ihm das Wort böswillig anders ausgelegt werden könnte. Lis löschte den Tweet und bat um Entschuldigung. „Ich hoffe, dass Herr Duda und Herr Kaczynski für ihre Verbrechen gegen die Demokratie bezahlen werden. Aber auf menschlicher Ebene wünsche ich ihnen Gesundheit und langes Leben. Ich habe niemandem den Tod gewünscht“, sagte er.

Auch Duda kritisierte das PiS-Video und sprach von einem unwürdigen Akt. „Das Gedenken an die Opfer der deutschen Verbrechen in Auschwitz ist heilig und unantastbar; die Tragödie von Millionen von Opfern darf nicht für den politischen Kampf missbraucht werden“, twitterte er.

(peng/dpa)
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