Schonfrist für London Parteiübergreifend Zustimmung zum Brexit-Beschluss der EU-Chefs

Berlin · Die EU gewährt London noch eine Schonfrist: Bis zum 12. April muss das Parlament nun endgültig entscheiden, ob es den harten Brexit will oder doch dem Austrittsvertrag mit der EU zustimmt.

Nach den Brexit-Beschlüssen des EU-Gipfels hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Klarheit von London gefordert. Großbritannien müsse deutlich machen, welchen Weg es weiter gehen wolle, sagte die CDU-Politikerin am Freitag zum Abschluss der Brüsseler Gespräche. Sie lobte, dass die 27 bleibenden EU-Staaten weiter eine geschlossene Linie hätten. Die EU habe sich klar geäußert.

Die EU und die britische Premierministerin Theresa May hatten sich in der Nacht zum Freitag auf eine Verschiebung des EU-Austritts bis mindestens 12. April geeinigt. Der ursprüngliche Termin am 29. März wurde damit obsolet. Stimmt das britische Unterhaus dem Brexit-Abkommen nächste Woche zu, soll der Austritt am 22. Mai geregelt über die Bühne gehen. Gelingt das nicht, erwartet die EU von Großbritannien bis zum 12. April neue Vorschläge und eine Erklärung, ob Großbritannien an der Europawahl Ende Mai teilnehmen wird. Sollte sich London dafür entscheiden, sind eine längerfristige Verschiebung des Brexits oder auch ein zweites Referendum denkbar. Am Samstag wollen in London Zehntausende für den Verbleib in der EU demonstrieren.

Der Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl, Sven Giegold, hat die EU-Gipfelentscheidung zum Brexit begrüßt. „Die Einigung legt die Zukunft Großbritanniens geschickt in die Hände der britischen Bürgerinnen und Bürger", sagte Giegold unserer Redaktion. „Jetzt entsteht zum 12. April eine Bewegung, den Austrittsantrag zurückzuziehen, vor allem wenn das Parlament den Austrittsvertrag nicht ratifiziert", sagte Giegold. "Über 2,2 Millionen haben schon eine entsprechende Petition unterschrieben", so der Grünen-Europapolitiker. Im Unterhaus gebe es jetzt eine solide Mehrheit für den Verbleib in der EU. Auch in der Bevölkerung habe sich das Blatt gewendet. „Die Umfragen sehen die Brexit-Gegner in der Mehrheit. Deshalb wollen wir europäischen Grünen ein neues Referendum – gemeinsam mit Hunderttausenden am Samstag in London gehe ich dafür auf die Straße“, sagte Giegold.

Britische Medien stuften die Chancen auf Zustimmung zum Austrittsabkommen als gering ein und spekulierten über einen möglichen Rücktritt Mays in den nächsten Wochen oder Monaten. Unklar ist noch, wann im Parlament zum dritten Mal über das Brexit-Abkommen abgestimmt wird. Nach Angaben eines Parlamentssprechers wird es zunächst am Montagabend eine Debatte über den Brexit-Kurs geben.

Im politischen Berlin stieß der Brexit-Beschluss parteiübergreifend auf Zustimmung. „Die EU hat es richtig gemacht“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im ARD-„Morgenmagazin. Die Gemeinschaft habe hart verhandelt und dennoch Flexibilität gezeigt.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie reagierte dagegen zurückhaltend. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte im rbb, politisch sei die Verschiebung des Brexits vielleicht ein kluger Schachzug. Die Wirtschaft leide aber immer mehr unter der Unsicherheit. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) raten den Unternehmen hierzulande auch nach dem Gipfel, sich weiter auf einen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens einzustellen. (mit dpa)

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