Parlamentswahl Die wichtigsten Antworten zur Wahl in den Niederlanden

Amsterdam · Am heutigen Mittwoch wählen die Niederländer ein neues Parlament. Das Wahlergebnis könnte richtungsweisend für andere Länder in Europa sein. Welche Parteien treten an, wer liegt in den Prognosen vorn und welche Themen bestimmen die Wahl?

 Ein Mann geht in ein Wahlbüro in Den Haag.

Ein Mann geht in ein Wahlbüro in Den Haag.

Foto: dpa, jhe

Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments hat 150 Sitze. Sie werden nach dem Verhältniswahlrecht vergeben. Die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen wird durch die Zahl der Sitze, also 150, geteilt. Bei der vorigen Wahl 2012 waren für einen Sitz rund 60.000 Stimmen nötig. Die Restmandate werden nach einem komplizierten Verfahren auf die gewählten Parteien verteilt. Jeder der rund 13 Millionen Wahlberechtigten hat nur eine Stimme. Die Niederländer wählen mit einem roten Buntstift auf Papier.

Das niederländische Parlament hat zwei Kammern. Die Sitze der Zweiten Kammer, die vergleichbar ist mit dem Bundestag, werden bei der Wahl am Mittwoch neu vergeben. Die Funktion der Ersten Kammer, auch Senat genannt, ist mit dem Bundesrat vergleichbar. Sie hat nur 75 Sitze. Eine künftige Regierung sollte auch eine Mehrheit in der Ersten Kammer haben, um problemlos Gesetze durchzubringen. Größte Fraktion ist hier zur Zeit die rechtsliberale VVD mit 13 Sitzen, gefolgt von der christdemokratischen CDA mit 12. Die Wilders-Partei PVV hat hier 9 Sitze.

Die Niederlande haben eine sehr zersplitterte Parteienlandschaft: Eine Rekordzahl von 28 Parteien tritt zur Wahl an. Da es keine Sperrklausel gibt, haben auch kleine Parteien eine Chance, eines der 150 Mandate zu ergattern. Laut Umfragen können sieben Parteien auf jeweils mehr als zwölf Mandate hoffen. Dann folgen vier Parteien, die bei einer Koalitionsbildung wichtig sein könnten: die linke christliche Partei ChristenUnie, die Partei für die Tiere, die Seniorenpartei 50plus und die orthodox-kalvinistische Partei SGP. Spannend wird es für drei neue Parteien, die nach den Umfragen je bis zu zwei Sitze gewinnen könnten. Die europafeindlichen und rechtsnationalen Initiativen, Forum für Demokratie und Für Niederlande (VNL), wollen dem Rechtspopulisten Geert Wilders Konkurrenz machen. Auf der linken Seite hofft die Migrantenpartei Denk, eine Abspaltung der Sozialdemokraten, auf einen Überraschungserfolg. Denk ist unter jungen Migranten sehr populär.

Nach letzten Umfragen vom Dienstagabend büßte die von Wilders geführte PVV zuletzt an Zustimmung ein. Sie kann demnach mit rund 13 bis 14 Prozent rechnen. Die rechtsliberale Regierungspartei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte geht hingegen als Favorit ins Rennen. Sie konnte leicht von dem heftigen diplomatischen Konflikt mit der Türkei profitieren und liegt nun mit etwa 17 bis 20 Prozent an erster Stelle. Um zum dritten Mal die Regierung zu bilden, braucht Rutte jedoch mindestens drei Partner. Mögliche Partner wären die christdemokratische CDA und die linksliberale D66. Ein möglicher weiterer Partner könnte die grüne Partei GroenLinks sein.

Ob Ruttes bisheriger Partner, die sozialdemokratische Partei für die Arbeit, noch mal will, ist mehr als fraglich. Der Partei droht die größte Niederlage ihrer Geschichte - nur noch 12 statt jetzt 35 Sitze. Rechnerisch möglich wäre auch eine Mitte-Links-Regierung, angesichts der total zersplitterten Parteienlandschaft ist auch eine Minderheitenregierung nicht ausgeschlossen. Die Wahlforscher betonten jedoch, dass das Rennen noch offen sei.

Da ist zum einen Mark Rutte, der amtierende Ministerpräsident. Es ist bereits seine zweite Amtszeit. Der Anführer der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) beschreibt sich selbst als Optimist, Staatsmann und jemand, bei dem die Niederlande in guten Händen sind: Er habe die Wirtschaft aus der Krise hin zu einem robusten Wachstum gebracht, sagt er. Rutte, der einen Hochschulabschluss in Geschichte hat und früher als Personalmanager für den niederländisch-britischen Konzern Unilever arbeitete, gilt als klassischer, auf Konsens setzender Politiker. Im Parlament hat er bereits mehrfach Gesetze in Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien verabschiedet.

Derjenige von Ruttes Herausforderern, der im Vorfeld der Wahl am präsentesten war, ist Rechtspopulist Geert Wilders. Sein Erfolg oder Nichterfolg bei der Wahl gilt als Richtungsgeber für die populistischen Strömungen in Europa in diesem Jahr. Der Rechtspopulist mit den hellen Haaren fährt eine harte Linie gegen den Islam. In der Vergangenheit hat er mehrfach Gerichte und die freie Meinungsäußerung in den Niederlanden herausgefordert. Auch nachdem ihn ein Gericht im vergangenen Jahr schuldig gesprochen hatte, die Diskriminierung von Marokkanern anzuheizen, fuhr er in seiner Wahlkampagne mit umstrittenen Äußerungen fort. Er sagte unter anderem, "marokkanischer Abschaum" sei für die Kriminalität auf den Straßen des Landes verantwortlich. Hier lesen Sie ein Portrait zu Geert Wilders.

Eine Beteiligung von Wilders an einer künftigen Regierung gilt allerdings als ausgeschlossen. Fast alle Parteien haben die Zusammenarbeit mit ihm in einer Koalition abgelehnt. Eine absolute Mehrheit kann er den Umfragen zufolge mit großer Sicherheit nicht erreichen. Dennoch sieht sich Wilders schon vor dem Ende des Wahltages als einer der großen Gewinner. Auch wenn es seine Freiheitspartei PVV nicht schaffe, stärkste politische Kraft zu werden, werde dies keine Niederlage sein, sagte er kurz nach seiner Stimmabgabe an einer Grundschule in Den Haag. "Wir haben dieser Wahl unseren Stempel aufgedrückt. Jeder redet über unsere Themen", sagte er mit Blick auf die Debatten über Migration und den Islam.

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Der Umgang mit Ausländern und Andersgläubigen, insbesondere Muslimen, war ein großes Thema im Wahlkampf. Rechtspopulist Wilders hatte Stimmung gegen Muslime gemacht und unter anderem ein Einreiseverbot für sie gefordert. Ein weiteres Thema der Wahl ist das Verhältnis der Niederlande zur EU. Die letzten Tage des Wahlkampfs waren zudem von einer diplomatischen Eskalation im Verhältnis mit der Türkei geprägt. Entzündet hatte sich der Streit am Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in den Niederlanden.

Das Wahlergebnis könnte richtungsweisend für andere Länder Europas sein. Es wird befürchtet, dass ein Erfolg der Wilders-Partei anderen anti-europäischen Bewegungen und Parteien in der EU Auftrieb geben könnte. Der niederländische Premier Mark Rutte hatte an seine Landsleute appelliert, dem "falschen Populismus" in Europa eine Absage zu erteilen.

Mittwochs haben alle Grundschüler in den Niederlanden traditionell nachmittags schulfrei. Der normale Betrieb in den Schulen, in denen die meisten Wahllokale sind, wird daher an einem Mittwoch am wenigsten gestört. Aber es gibt noch einen Grund: So viel Stimmberechtigte wie möglich sollen auch zur Wahl gehen können. Daher sind Freitag, Samstag und Sonntag keine geeigneten Wahltage. Denn ab Freitag (Sonnenuntergang) und am Samstag dürfen orthodoxe Juden nicht wählen und am Sonntag wiederum nicht die strenggläubigen Protestanten.

Die Wahllokale schließen um 21 Uhr, dann soll es erste Hochrechnungen geben. Hochrechnungen von auf Grundlage von ausgezählten Ergebnissen werden im Laufe der Nacht erwartet. Das amtliche Endergebnis wird erst am 21. März bekanntgegeben.

Mit Material von dpa, AFP, AP.

(lsa)
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