Yves Mersch darf nicht in EZB-Spitze Nur weil er ein Mann ist

Straßburg/Brüssel · Es ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der EU und ein offener Affront gegen Kanzlerin Merkel und ihre EU-Kollegen. Das EU-Parlament verweigerte dem Top-Banker Yves Mersch die Ernennung für das Spitzengremium der EZB, weil sich die Parlamentarier eine Frau wünschten. Dabei bestehen an den fachlichen Fähigkeiten des Luxemburgers keine Zweifel.

 Keine Zweifel an den Fähigkeiten, sondern am Geschlecht: Yves Mersch.

Keine Zweifel an den Fähigkeiten, sondern am Geschlecht: Yves Mersch.

Foto: afp, PATRICK HERTZOG

In der Kampfabstimmung im Plenum in Straßburg votierten am Donnerstag 325 Abgeordnete gegen den Luxemburger Notenbankchef, nur 300 dafür, 49 weitere enthielten sich. Es war das erste Mal, dass die Volksvertreter ein designiertes EZB-Direktoriumsmitglied durchfallen ließen. Ob Mersch trotzdem wie geplant seinen Job im November antreten kann, blieb zunächst offen. "Das muss der Europäische Rat jetzt entscheiden", sagte ein Vertreter der Eurogruppe der Nachrichtenagentur dapd. Für eine Prognose sei es zu früh.

"Starkes Signal"

Blockiert ist der Sprung Merschs an die EZB-Spitze zwar nicht. Das Parlament musste nur seine Meinung abgeben, nicht aber zustimmen. Dennoch ramponiert die mehrheitliche Ablehnung die Legitimität des 63-jährigen Finanzexperten - und dienstältesten Notenbankchefs der Eurozone.

Sie ist auch eine schwere Probe für das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Mitgliedsstaaten und Parlament. Und das könnte weitere wichtige Gesetzesvorhaben zur Überwindung der Schuldenkrise erschweren - bis hin zur geplanten Bankenaufsicht.

Mit ihren Nein-Stimmen protestierten die Volksvertreter dagegen, dass keine Frau in die engere Wahl für das Spitzenamt gezogen worden war. In dem mächtigen, sechsköpfigen EZB-Direktorium sitzen nur Männer. Und wegen der langen Amtszeiten wird sich daran bis 2018 auch nichts ändern - sollte Mersch schließlich kommen.

Doch geht es den Abgeordneten um die grundsätzliche Geschlechtergerechtigkeit.
Von einem "starken Signal", dass die Mitgliedsstaaten "die völlige Abwesenheit von Frauen in den zentralen Institutionen bei der Bewältigung der Eurokrise nicht ignorieren dürfen", sprach der Grüne Finanzexperte Sven Giegold nach dem Votum.

"Ja, ich bin keine Frau"

Zweifel an Merschs Kompetenz gab es keine. Aber "leider stand nicht die fachliche Qualifikation im Mittelpunkt", sagte der CDU-Abgeordnete Burkhard Balz. Mersch, als geldpolitischer Falke ein möglicher Verbündeter von Bundesbankchef Jens Weidmann, hatte sein Dilemma am Dienstag in Berlin selbst trefflich auf den Punkt gebracht: "Ja, ich muss leider bekennen, ich bin keine Frau."

Der Streit und die Hängepartie kommt für die Euro-Krisenmanager zur Unzeit. Der Posten ist seit Ende Mai vakant, und EZB-Chef Mario Draghi ist darüber verärgert. In der Zeit der Krise sollte das Gremium vollständig besetzt sein, forderte er unlängst. Weil keine Alternative zu Mersch in Sicht ist, könnte die Forderung noch eine Weile unerfüllt bleiben.

(APD)
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