Anfeindungen nach Brexit Deutsche berichtet unter Tränen von Rassismus in Großbritannien

London · Das Radiointerview einer Deutschen, die seit 40 Jahren auf der Insel lebt, bewegt das Netz. Unter Tränen schildert sie, wie ihr nach dem Brexit-Votum offener Fremdenhass entgegenschlägt.

 Moderator James O'Brien zeigt sich in seiner Sendung bestürzt über den Anruf der Deutschen.

Moderator James O'Brien zeigt sich in seiner Sendung bestürzt über den Anruf der Deutschen.

Foto: Screenshot LBC

Das Votum der Briten für den Brexit ist nicht nur eine politische Entscheidung, sondern hat offenbar auch weitreichende Konsequenzen für das Leben von Europäern, die in Großbritannien leben - so auch die Deutsche Karen, seit 1973 auf der Insel. Unter Tränen ruft sie in der Radiosendung von Moderator James O'Brien beim Sender LBC an. "Ich habe solche Angst", lautet einer ihrer ersten Sätze.

"Ich weiß nicht, was ich tun soll"

Karen erzählt, sie erlebe seit dem Referendum der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union offenen Rassismus. An ihre Tür sei Hundekot geworfen worden, Freunde würden ihr sagen, sie könnten nicht mehr mit ihr befreundet sein. "Ich bin seit drei Tagen nicht mehr vor die Tür gegangen, weil ich nicht weiß, was ich tun soll", schluchzt Karen am Telefon. "Meine Nachbarn wollen mich nicht mehr auf dieser Straße haben."

Der Enkel einer Freundin von ihr sei verprügelt worden, weil diese eine Ausländerin sei. "Ich traue niemandem mehr", erzählt Karen. Selbst eine langjährige Kirchgängerin habe ihr gegenüber gesagt, die "verdammten Immigranten sollten das Land verlassen". Sie habe die deutsche Botschaft kontaktiert, aber dort habe man ihr auch nicht helfen können. Ein Sprecher der deutschen Botschaft in London konnte das auf Anfrage unserer Redaktion nicht bestätigen. Man prüfe den Fall jedoch.

Moderator O'Brien und sein Studiogasts Simon Woolley von der Organisation "Operation Black Vote" reagieren bestürzt auf die Schilderungen der Deutschen. "Diese Geschichte zerreißt mir das Herz", sagt Woolley. 50 Jahre habe man für Rassengleichheit gekämpft, und nun rufe im Jahr 2016 eine Frau voller Verzweiflung an, weil sie als Deutsche diskriminiert werde.

Die große Mehrheit der Bevölkerung sei auf ihrer Seite, auch wenn es sich aktuell anders anfühle, sagt auch O'Brien. Wenn die Menschen Geschichten wie die von Karen hörten, würde ihnen klar werden, dass sie sich gegen solchen Rassismus zur Wehr setzen müssen. Und zum Schluss fügt er noch an: "Ich mag Ihren deutschen Akzent wirklich sehr, Karen."

Wie authentisch der Anruf von Karen ist, lässt sich nicht nachprüfen. Allerdings passt die Geschichte von Karen zu anderen Meldungen. Die britische Polizei bestätigte schon am Dienstag, dass seit dem Referendum auf einer Internetseite für die Anzeige von sogenannter Hasskriminalität 57 Prozent mehr Vorfälle gemeldet worden sind als noch vor vier Wochen. Zudem häufen sich auch andere Berichte von Ausländern in Großbritannien, denen plötzlich offene Ablehnung entgegenschlägt.

In den Kommentaren und auf Twitter sprechen viele Nutzer Karen ihr Mitgefühl aus. "Das ist so unglaublich traurig", schreibt Axel in einem Kommentar. "Ich habe Tränen in meinen Augen." Und Simon schreibt auf Twitter: "Karen hätte meine eigene Großmutter sein können. Was stimmt nicht mit den Leuten?"

(hebu)
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