Italiens Premier schlägt Alarm Monti: Noch eine Woche zur Euro-Rettung

Düsseldorf · Italiens Ministerpräsident Mario Monti warnt in dramatischen Worten vor einem Scheitern des anstehenden Euro-Gipfels. Er rechnet mit "eskalierenden Spekulationsangriffen", sollten keine dauerhaften Lösungen gefunden werden. Seine Warnungen zielen nicht zuletzt auf die deutsche Kanzlerin. Beim heutigen Vierer-Treffen mit Monti und den Amtskollegen aus Spanien und Frankreich steht sie massiv unter Druck.

Mario Monti - ein deutscher Italiener
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Die Erwartungen an das Treffen am Freitag in Rom sind immens. Freitagnachmittag trifft sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit Gastgeber Monti, Frankreichs Präsident François Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.

Im Vorfeld hieß es, der Gipfel diene dazu, den Brüsseler EU-Gipfel Ende des Monats vorzubereiten. Es würde Europa zweifelsfrei viel Arbeit abnehmen, sollten sich die vier Euro-Riesen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien vorab auf einen gemeinsamen Weg verständigen können.

Doch die Interessen sind konträr, Merkel steht mit ihrem Widerstand alleine mit dem Rücken zur Wand.

Monti sieht Italien auf einem guten Weg

Italien drängt darauf, dass die europäischen Rettungsfonds Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen. So sollen die Schuldenkosten des Landes gesenkt werden. Italien sträubt sich jedoch dagegen, dafür formal unter den Rettungsschirm zu schlüpfen. Das nämlich hätte zur Folge, dass Rom Spar-Auflagen aus Brüssel erfüllen müsste. Aus Sicht der Italiener befindet sich ihr Land aber bereits auf einem guten Weg. Ein offizieller Hilferuf würde hingegen die Finanzmärkte weiter verunsichern.

In einem am Freitag erschienen Interview versicherte Monti: "Italien wird keine Finanzhilfen beanspruchen." Bislang habe das Land keine Darlehen erbeten, das Land selbst habe aber viele gegeben.

Monti und Rajoy sind gegen Auflagen

Monti verwies darauf, dass Italien in diesem Jahr voraussichtlich ein Haushaltsdefizit von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes haben werde, in der EU liege das Defizit dagegen im Durchschnitt bei 3,6 Prozent, in der Euro-Zone bei 3,2 Prozent. "2013 wird Italien einen strukturellen Überschuss von 0,6 Prozent haben, und es wird das erste Land mit einem Einnahmenüberschuss sein", sagte Monti.

Frankreich und Spanien stehen an seiner Seite. Hollande drängt seit seinem Amtsantritt auf die Einführung von Euro-Bonds und wachstumsfördernder Maßnahmen, Rajoy hätte ähnlich wie Monti am liebsten direkte Geld-Infusionen für die maroden spanischen Banken anstatt des ganzen Rettungsschirms.

Offener Streit mit Schäuble

Beide fordern den Ankauf ihrer Staatsanleihen durch den Rettungsfonds oder die Europäische Zentralbank (EZB). Die EZB hat bereits in der Vergangenheit mit massiven Anleihe-Ankäufen den Zinsdruck für Sorgenstaaten gelindert. Da sie unabhängig ist, kann die Politik sie aber nicht dazu verpflichten. Daher rücken nun Anleihe-Ankäufe durch den neuen Rettungsschirm ESM ins Blickfeld.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wies die Forderungen aus Rom und Madrid bereits am Donnerstag brüsk zurück. Der ESM könne Staatschulden am Markt aufkaufen, unterstrich der CDU-Politiker. Aber nur nach Antrag und gegen Auflagen. Zu den Auflagen gehört, dass die Schuldentragfähigkeit des Landes gesichert ist. Italien will dagegen, dass die Ankäufe automatisch erfolgen, wenn die Risikoaufschläge eine bestimmte Höhe überschreiten.

Monti zeichnet düsteres Szenario

Am Freitag erhöht der italienische Premier nun unmittelbar vor dem Treffen in Rom den Druck auf die deutsche Kanzlerin. In einer Interview-Serie zeichnet er ein geradezu apokalyptisches Szenario für den Fall, dass beim kommenden Gipfel die falschen Entscheidungen getroffen werden.

Einzelne Euro-Länder müssten mit "eskalierenden Spekulationsangriffen" rechnen, wenn beim EU-Gipfel kommende Woche keine dauerhafte Lösung der EU-Schuldenkrise gefunden wird. Vor allem die schwächeren Länder müssten mit solchen Attacken rechnen, sagte Monti in einem Interview mit ausgewählten Zeitungen, unter anderem dem britischen "Guardian" und der "Süddeutschen Zeitung".

Verheerende politische Folgen

Nicht nur die Länder, die die Vorgaben der EU nicht erfüllt hätten, wären dann bedroht, sondern auch solche Länder wie Italien, die einen hohen Schuldenberg angehäuft hätten. Ein großer Teil der EU-Länder hätte mit sehr hohen Zinsen zu kämpfen, was sich auch auf die Unternehmen auswirke, warnte Monti. Und das sein das genaue Gegenteil von dem, was für wirtschaftliches Wachstum erforderlich sei.

Monti warnte zudem vor verheerenden politischen Folgen. Der Politiker denkt dabei an eine Verschärfung eines Trends, den er als Europa-Paradox beschreibt: "Um heil aus der Krise zu kommen, ist immer mehr Integration nötig. Aber wenn der Europäische Rat nicht schnell die Probleme der Euro-Zone behebt, wird sich die öffentliche Meinung gegen diese größere Integration wenden", erläuterte Monti und verwies dabei auf eine unheilvolle Entwicklung im eigenen Land. Das italienische Parlament sei traditionell immer proeuropäisch gewesen. Jetzt nicht mehr.

Zwei Stunden Zeit zur Beratung

Tatsächlich hat die Krise in zahlreichen Ländern unübersehbar anti-europäische Tendenzen ausgelöst. Radikale politische Kräfte, die sich gegen den Euro und für nationale Abschottung aussprechen, sind auf dem Vormarsch. In Griechenland heißen sie "Syriza" oder "Goldene Morgenröte", in Frankreich Front National, in Finnland "Wahre Finnen" - der Populismus feiert auf dem ganzen Kontinent Erfolge.

Das Quartett um Merkel/Monti will will an diesem Freitag auch über die Wachstumspläne von Präsident Francois Hollande und den Umgang mit Griechenland beraten. Athen wünscht sich zwei Jahre mehr Zeit zur wirtschaftlichen Erholung. Auch die Sparauflagen sollen zeitlich angepasst werden. Die Europäer droht das erneut zu spalten. Vor allem die nördlichen Staaten wie Deutschland, die Niederlande oder Finnland sind strikt dagegen. Griechenland müsse zu seinen Zusagen stehen.

Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der vier größten Volkswirtschaften der Euro-Zone dürfte es auch darum gehen, wann und wie viel Hilfe Spanien aus den Euro-Rettungsschirmen für seine Banken beantragt.

Die Prüfung durch zwei unabhängige Beratungsunternehmen ergab einen Bedarf von 51 bis 62 Milliarden Euro unter schärfsten Krisenannahmen. Das ist deutlich weniger als die bis zu 100 Milliarden Euro, die die Euro-Finanzminister dem Land aus den Rettungsfonds offeriert haben.

(pst)
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