Parlamentswahlen Möglicher EU-Austritt Großbritanniens schwingt im Wahlkampf mit

London · Der Ausgang der britischen Parlamentswahl am 7. Mai ist alles andere als klar. Der konservative Premier Cameron will einen weiteren Aufstieg der rechtspopulistischen UKIP verhindern - und nimmt sich selbst deren Topthemen Einwanderung und EU-Austritt an.

Warum die britische Wahl für Deutschland wichtig ist
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Ian Robinson, Miteigentümer einer kleinen Investmentfirma in London, schaut besorgt auf den Termin der britischen Parlamentswahl am 7. Mai. Der Ausgang der Abstimmung ist laut Demoskopen zwar so ungewiss wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Doch eines beunruhigt Robinson besonders: Ein Sieg von Premier David Cameron könnte die Insel einen Schritt weiter in Richtung eines Austritts aus der EU - dem sogenannten Brexit - bringen.

Diese mögliche Abkehr von Europa befürchten viele britische Unternehmen. Es könnte für sie bedeuten, dass sie auf dem Kontinent Geschäfte nur noch unter steigenden Kosten und großer Bürokratie machen könnten. In jedem EU-Land bräuchte eine Firma beispielsweise dann jeweils Lizenzen, sagte Robinson. Andere sehen Londons führende Rolle als globaler Finanzplatz mit einem Austritt gefährdet. Nicht umsonst kündigte die Großbank HSBC im April an, sie erwäge, ihren Hauptsitz auch wegen der Debatte um einen Verbleib in der EU außer Landes zu verlegen.

Der Wahlkampf auf der Insel drehte sich bisher vor allem um die Wirtschaftslage und das Gesundheitswesen. Doch Cameron hat sich angesichts der Wahlerfolge der rechtspopulistischen U.K. Independence Party die Themen Einwanderung und möglicher EU-Austritt auch auf die Fahnen geschrieben. So versprach er, im Jahr 2017 ein Referendum abzuhalten, mit dem die Briten über einen Verbleib in der EU entscheiden sollen.

David Cameron startete als Hoffnungsträger
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Den Vorteil eines Austritts sieht die UKIP darin, dass das Land dann die Welle von Einwanderern besser steuern könnte und überhaupt wieder alle Entscheidungsgewalt von Brüssel zurückbekäme. Gerade Großbritannien sah sich seit der Osterweiterung der EU 2004 einer großen Zahl von Migranten aus den neuen Mitgliedsstaaten ausgesetzt. Die UKIP, einst eine Randpartei, könnte Umfragen zufolge am 7. Mai rund zehn Prozent der Stimmen holen. Eine Abwanderung von Stimmen an die Rechtspopulisten könnte Camerons Wiederwahl gefährden.

Der Premier zieht es eigenen Worten zufolge zwar vor, dass Großbritannien in der EU verbleibe, doch dafür müsste diese reformiert werde, meint er. Konkret geht es ihm darum, dass die Freizügigkeit von EU-Bürgern beschränkt wird. Sie sollen zwar das Recht auf Arbeit in Mitgliedsländern haben, doch keinen automatischen Anspruch auf Sozialleistungen.

"Ich stelle das Land an erste Stelle und sage, dass die Briten entscheiden können sollen, ob sie in einer reformierten EU bleiben oder austreten wollen", sagte Cameron zu seinen Plänen eines Referendums dem Sender BBC. Der Premier geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet das Referendum als "rote Linie", die er nach den Wahlen bei möglichen Koalitionsverhandlungen nicht überschreiten wolle. Das soll heißen, dass er nicht mit einer Partei zusammengehen will, die dieses Referendum nicht akzeptiert.

Das ist Ed Miliband
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Spitzenpolitiker in der EU wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel haben bisher keine große Neigung gezeigt, die von Cameron angeregte Reform zu debattieren. Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte vergangene Woche, man ziehe höchstens kleinere Änderungen in Betracht. Doch hätte auch die EU mit einem "Brexit" viel zu verlieren. London ist Europas Finanzplatz Nummer eins. Großbritannien ist hinter Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der 28 Länder der Staatengemeinschaft. Und 2014 war es das am schnellsten wachsende Industrieland der Welt.

Das Vereinigte Königreich gehört seit 1973 zur EU, und bisher sahen die meisten Briten mehr Vor- als Nachteile in dieser Zugehörigkeit. Doch diese Unterstützung scheint zu schwinden. In einer Umfrage vom Oktober sprachen sich von 1000 Briten immerhin noch 56 Prozent dafür aus, in einem Referendum für einen Verbleib in der EU zu stimmen. 36 Prozent wollten für einen Austritt votieren

Umfrage: "Brexit" schlimmer als "Grexit"

Vor allem führende europäische Unternehmen zeigen sich viel besorgter über einen Austritt der Insel aus der EU als etwa über ein Ausscheiden Griechenlands, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Grant Thornton am Donnerstag ergab. Danach sagten fast zwei Drittel der Befragten, ein "Brexit" hätte einen negativen Einfluss auf die EU. Von einem "Grexit" glaubten dies lediglich 45 Prozent der Befragten.

"Diese Abneigung gegen einen Austritt Großbritanniens gibt der nächsten britischen Regierung eine starke Rückendeckung, wenn es darum geht, Reformen in Europa einzufordern", meint Sacha Romanovitch, Chef der britischen Niederlassung von Grant Thornton. Nun richten sich alle Augen auf den Wahlausgang am Donnerstag. Dabei wird Cameron auch im Falle eines Siegs möglicherweise nicht die nötige Mehrheit für sein Referendum bekommen. Die oppositionelle Labour-Partei um Chef Ed Miliband hat bereits klargestellt, sie sei für einen Verbleib der Insel in der EU.

"Brexit ist derzeit wahrscheinlich die größte Quelle von Unsicherheit für Investoren", meint Daniel Vernazza, ein Volkswirt der Bank UniCredit. Falls Cameron tatsächlich das Referendum für Ende 2017 durchboxt, werde sich diese Unsicherheit noch lange über den Wahltag hinaus fortsetzen.

(ap)
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