Europa-Sternfahrt Matthias Beermanns Weg nach Straßburg (3)

Salamanca (RP). Was bedeutet Europa den Europäern? Welche Sorgen, welche Hoffnungen haben sie? Drei Autoren unserer Redaktion haben den Kontinent erkundet - von den Außengrenzen bis zum Europa-Parlament in Straßburg. Matthias Beermann ist von Lissabon nach Straßburg aufgebrochen.

Matthias Beermanns Weg nach Straßburg
19 Bilder

Matthias Beermanns Weg nach Straßburg

19 Bilder

Aus der endlosen Ebene taucht Salamanca auf, die altehrwürdige Universitätsstadt. Gut 40.000 der insgesamt 156.000 Einwohner sind Studenten. Francesca gehört dazu. Die junge Frau kellnert in einem Straßencafé, an der Uni bereitet sie sich auf einen Master-Abschluss in Umweltwissenschaften vor. Die 24-Jährige hat einen italienischen Pass, lebt aber schon seit drei Jahren in Salamanca. "Mit gefällt es hier viel besser als in Italien", sagt sie. "Das Leben ist viel entspannter". Eigentlich, so überlegt Francesca, fühle sie sich ja inzwischen gar nicht mehr richtig als Italienerin. "Schon eher als Europäerin", lacht sie, während sie ein Tablett mit Getränken nach draußen balanciert. Ohne Europa wäre sie wohl auch nicht hier: Mit dem europäischen Austauschprogramm Erasmus ist Francesca nach Salamanca gekommen. Sie gehört zu einer Generation, für die der Kontinent keine Grenzen mehr hat.

Das hat Mercedes Alvarez (57) noch alles ganz anders erlebt. Die Personal-Managerin in einem Röhrenwerk im baskischen Bilbao hat mitverfolgt, wie der EU-Beitritt ihr Land in Zeitraffer modernsiert hat. Und weil sie in einem internationalen Konzern arbeitet, weiß sie natürlich auch, wie wichtig Europa ist, wenn man Geschäfte machen will. Aber als Bürgerin hat sich doch so ihre Probleme mit der EU. "Europa ist einfach zu schnell gewachsen", klagt sie. Sie können ja verstehen, dass Menschen aus dem ärmeren Osten der EU nach Westen kämen. "Aber damit kommen auch die Probleme." Die Immigranten brächten zunehmend Gewalt und Kriminalität nach Bilbao, klagt Alvarez. "Bei Dunkelheit meide ich bestimmte Straßen. Das war früher nicht so."

Es hat sich einiges geändert, seit die EU nach Osten gewachsen ist. Es gibt jetzt auch weniger Geld aus den EU-Fonds für die Süd-Länder, gerade für Spanien. Aber auch drüben, auf der anderen Seite der Grenze, beklagen sie sich. Die Franzosen sind sich nicht immer grün mit den spanischen Nachbarn. Und die Obrigkeit zeigt ihr Misstrauen gleich ein paar Kilometer hinter der Grenze. Hinter der ersten Mautstelle hat sich der französische Zoll postiert. Fliegende Kontrolle. Aufgeregt kläffende Drogensuchhunde, filzende Beamte - es ist klar, nach welcher Art von Exportartikeln hier gesucht wird. Spanien ist das Haupteinfallstor für marrokanisches Haschisch nach Europa.

Im baskischen Hafen Ciboure stoße ich auf Christoph Inda (36). Der er ist aus einem ganz anderen Grund sauer auf die Spanier. "Die räumen die See leer, und uns bleiben nur die Brosamen", protestiert er. Inda geht mit seinem 13-Meter-Kutter "Agur" auf Seehecht-Fang. An langen Leinen wird der Fisch geködert. Eine harte Arbeit, draußen auf hoher See, bei Wind und Wetter. Trotzdem, Inda macht sie lieber als alles andere im Leben. Aber sprechen sie ihn nicht auf die EU an. "Nur Ärger, nur Ärger", schimpft er, während er die Fische in großen, mit Eis gefüllten Kisten verstaut: "Die Fangquoten gehen runter, die Preise in den Keller."

Wenn es nach Inda ginge, würde er die ganze europäische Fischereipolitik zum Teufel jagen und wieder zu rein nationalen Fang- Regelungen zurückkehren. "Für uns Franzosen wäre das sicher besser", glaubt er. Sein Sohn Tomadu (9) hilft ihm beim Aufräumen der Fischkörbe. Eines Tages würde er auch gerne rausfahren aufs Meer, "wie Papa". Aber da ist sein Vater skeptisch. "Da müsste sich erst einiges ändern." Ob man das an der Urne erreichen kann? Inda zuckt mit den Achseln. Auf jeden Fall will er am Sonntag wählen gehen. Für wen er stimmen wird, das sagt er nicht. Aber ich habe so meine Ahnung. Von dem Dutzend Parteien, die in Cibourne ihre Wahlplakate geklebt haben, ist die Hälfte Europa-skeptisch oder sogar -feindlich eingestellt. Da haben Europa-Enttäuschte wie der Fischer Inda die Qual der Wahl.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort